Imperial War Museum London (IWM)

Einleitung

Schon als kleiner Bub schaute ich oft in den Himmel, wenn ein Flugzeug über mir vorbeizog. Diese Liebe zu allem, was flog, verfolgte mich auch durch die Pubertät. Ich baute die alten Propellermaschinen aus den großen Weltkriegen mit Revell-Plastikbausätzen nach und bemalte sie liebevoll. Zur Krönung hängte ich sie dann stolz mit einer Schnur vom Himmel meines kleinen Zimmers.

Viele Bücher über die Kampfflieger der Weltkriege fanden bei mir ihr Zuhause und ich verschlang jedes einzelne nicht nur einmal. Auch versuchte ich diese mit mehr oder weniger Erfolg nachzuzeichnen und erlebte die heldenhaften Dogfights, also die Luftkämpfe, in meiner Phantasie weiter.

Mittlerweile hat sich das Thema „heldenhaft“ deutlich relativiert. Jetzt weiß ich, wie wenig heroisch und stattdessen grausam und unbarmherzig die Szenen meiner jugendlichen Leidenschaft in der Realität waren. Wie schrecklich Krieg ist und wie unsagbar die Menschen auf beiden Seiten während dieser Zeit litten. Trotz allem faszinieren mich bis heute nach wie vor die technischen Errungenschaften während der Kriege und auch die Maschinen in der Luft und auf dem Boden.

Vor einigen Monaten hatte ich die Gelegenheit, das Luftfahrtmuseum Hannover zu besuchen. Es war März und ich schritt bei frostigen Temperaturen die Hallen ab. Dort gab es so viele Flieger und Geschichten rund um das Fliegen, dass die Stunden dort trotz damals eisiger Kälte in schöner Erinnerung vorbeizogen. Und versank in meiner wunderbaren Welt der Kindheit. Alte Liebe rostet eben nicht.

Luftfahrtmuseum Hannover-Laatzen – Immer einen Besuch wert

Das IWM London

Auch London bietet für Flugzeugenthusiasten und Menschen, die wissen möchten, was in den Kriegen tatsächlich vor sich ging, reichlich Museen. Das berühmteste ist sicherlich das IWM – das Imperial War Museum. Zwar nicht alleine auf mein Thema, die Flugzeuge, beschränkt. Aber mit vielen Flugzeugen ihrer Zeit bestückt. Und diese kann man dort ganz aus der Nähe betrachten. Gerade wegen der Spitfire (ein britisches Kampfflugzeug des 2. Weltkriegs) am Himmel wollte ich mir das Museum anschauen. Und die Geschichte erfahren und erleben, die in diesem Museum dargestellt war.

Die Submarine Spitfire im Flug

Anfahrt

An einem regnerischen Tag in der zweiten Woche meines Sprachaufenthaltes in London machte ich mich nach dem Sprachunterricht in der Schule auf den Weg zur U-Bahn-Station „Lambeth North“ am anderen Ende Londons.

Es schüttete beim Verlassen der U-Bahn-Station wie aus Kübeln. Die ca. 1.000 Meter zum Museumsgebäude waren mit Pfützen übersät und als ich dort ankam, waren die Füße patschnass. Na toll, das fing ja schon mal gut an.

 

Die Heimat der IWM in London

Eintritt

Auch das Imperial War Museum ist in öffentlicher Hand – also kostenfrei. An diesem Tag war es auch nicht übermäßig gut besucht, sodass ich schnell in die große Empfangshalle des Museums gelangte.

Und dort waren sie. Sicher über den Besuchern an der Decke aufgehängt, fand sich dort meine Muse, meine Leidenschaft. Die Flieger. Unter anderen  eine deutsche V1 aus dem zweiten Weltkrieg, ein „moderner“ Sea Harrier und eine Sopwith Camel aus dem ersten Weltkrieg. Und natürlich eine Submarine Spitfire. 

Mit großen Augen blickte ich hinauf auf die Exponate. Natürlich war das erste Foto dieses Museums die Spitfire. Sie wirkte entgegen meiner Träume ziemlich klein und zierlich. Aber jedes kleine Einzelteil, jede Niete, die Cockpitauskleidung – alles war im Detail genau zu erkennen.

Dort im IWM sind die themenbezogenen Welten über mehrere Stockwerke verteilt. Im Erdgeschoss dominiert der erste Weltkrieg. Im zweiten und dritten der zweite Weltkrieg und in den übrigen Bereichen moderne und ältere Themen rund um das Thema Krieg. Und überall gab es reichlich Exponate und Informationstafeln anzuschauen.

Blick über die Stockwerke des IWM

The Great War (1. Weltkrieg)

Ausstellung…

Den ersten große Themenbereich konnte man gleich links neben dem Eingang betreten. Der erste Weltkrieg. Detailversessen mit Audio, Video und unglaublich vielen Ausstellungsstücken wurde in diesem schier unendlich weiten Themenkomplex alles rund um den großen Krieg, „The Great War“, ausgestellt.

Es begann mit den Auslösern, den Kräfteverhältnissen zu Beginn der Konfrontation. Auf Schautischen wurden die einzelnen Momente der Geschichte einprägsam dargestellt. Dazu waren rund um diese Kästen originale Gegenstände ihrer Zeit in Schaukästen ausgestellt. Uniformen der Soldaten, Waffen, Instrumente, … Schier unendliche Informationen. Dazu lagen Kampfgeräusche, schreiende Soldaten, knallende Gewehre und Kanonen permanent in der Luft. Man fühlte sich mitten im Geschehen. Das ist aber generell nicht immer gut. Denn es gibt durchaus eine emotionale Wirkung.

Sopwith Camel – Prägendes Kampfflugzeug des 1. Weltkriegs

… und Emotionen

Denn dieser Themenkomplex ist definitiv keine Ausstellung für Zartbesaitete. Die permanente Konfrontation mit Elend, rauer Kriegsführung, Schlachtengetümmel und Zahlenwerken dieser Zeit bedrückt. Sie belastet durch ihre Multimedialität, den permanenten, unausweichlichen Eindrücken. Und sie macht natürlich nachdenklich. Der Gang durch die Kriegsschauplätze, der niemals zu enden schien, stellte Gewalt in ihrer Unbarmherzigkeit vor. Besonders die Ausführungen der chemischen Kriegsführung waren erschütternd. Der Fokus auf das zielgerichtete Töten erschauderte den interessierten Zuschauer.

Vielleicht ging hier aufgrund der Fülle und unendlich scheinenden Informationsflut das Herz manches Waffennarren, Schlachtenforschers und eingefleischten Patrioten auf. Bei mir bewirkte diese Ansammlung das Gegenteil. So war ich es Mitte der Ausstellung irgendwann leid, immer nur Elend zu sehen. Unablässig aufgebautes Kriegsmaterial, die Darstellung verherrlichender Kriegszüge und eine Aufreihung der Stahlkolosse des Tötens. Und das Ganze lebhaft untermalt mit realistischen Tonaufnahmen ihrer Zeit.

Ich sehnte dem Ende der Ausstellung entgegen, wollte einfach nur raus. Hatte genug davon. Es belastete mehr als nötig. Den Rest der Ausstellung hastete ich mehr durch die Gänge. Als kurz die ersten Panzer auftauchten, die mich im Vorfeld ja eigentlich sehr interessierten, nahm ich das nur am Rande zur Kenntnis. Reizüberflutet kam ich dann schließlich wieder in der Empfangshalle an. Das war mir an Infos zum Krieg schon genug.

The Second World War (2. Weltkrieg)

Ausstellung…

Doch ganz aufgeben wollte ich nicht. Also ging es einen Stock höher in die Ausstellung des WWII, des zweiten Weltkriegs.

Diese Etage war entgegen der erlebten WWI-Welt glücklicherweise nicht so dramatisch aufgebaut. Man bekam zu Beginn die Momente der faschistischen Machtübernahme realistisch aufgearbeitet und informativ vermittelt. Man tauchte durch Film-, Bild- und Ausstellungsgegenstände in die Welt der Menschen Mitte der 30er bis Mitte der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Das Leben während des Nationalsozialismus und des Kriegs. Die gnadenlose Verfolgung, die permanente Angst, die grausamen Methoden der Nazis.

Wie vorher im Erdgeschoss waren auch hier Kriegsschauplätze dargestellt. Flugzeuge und Panzer sowie andere Transportfahrzeuge säumten den Weg. Alle kriegsführenden Nationen waren vertreten. Dazu Uniformen und Darstellungen des Leids dieses grausamen Kriegs. Die Bombenangriffe auf London wurden mit Zahlen und Bildern unterlegt. Das Bombardement deutscher Städte anschließend auch. Und ebenso dramatisch. Immer wieder gesäumt von Wracks aus dem Krieg sowie Bild- und Tonauszüge über die Situation in der Bevölkerung. Ernüchternd, real und bewegend.

Auch der Krieg zur See wurde gezeigt. Wiederum mit Waffen und geborgenen Wracks unterlegt. Strategische Züge großer Admirale und deren Umsetzung bzw. Ergebnisse. Und immer wieder Exponate wie Fliegerbomben, Flag-Geschütze und Kriegsfahrzeuge. Gerade die Bilder von oben aus den überfliegenden Bombern geschossen wirkten unbarmherzig und surreal.

Emotionen

Auch wenn in diesem Part der Ausstellung das Thema Krieg fortgeführt wurde, war er nicht so erschütternd wie der des ersten Weltkriegs. Die Ausstellung war deutlich weiter gefasst, die Darstellungen nicht so medial aufdringlich und die Geräuschuntermalung sehr dezent. Fakten statt absolutes Erlebnis. Und das war auch gut so. Denn nach den Eindrücken einen Stock tiefer ließ sich dieser Teil emotional deutlich leichter ertragen.

Im Anschluss der WWII-Ausstellung führte der Weg durch einen Raum, in dem Souvenirs angeboten wurden. Bekannte und weniger bekannte literarische Werke rund um den Krieg. Meist dem 2. Weltkrieg. Dazu Modelle der Flieger, Fahrzeuge und Schiffe. Auch Anhänger, Kleidung, und, und, und konnte man hier kaufen. Wer bis dahin noch nicht genug hatte, konnte sich seinen Krieg mit nach Hause nehmen.

Submarine Spitfire in ihrer ganzen Pracht am Himmel des IWM London

Und sonst…

Der Rest des Museums ist schnell erzählt. In den weiteren Stockwerken, die ich nur durchstreifte, geht es um die moderne Kriegsführung. Terrorismus, Vietnam und Korea sowie der kalte Krieg wurden dargestellt. Auch die Situation nach dem Mauerbau zwischen Ost- und Westeuropa fand hier ihre Darstellung.

Vergleichen mit der Ausstellung der Kriege waren die Artefakte nicht so bedrückend, die Bilder nicht so grausam und die Hintergrundgeräusche nicht existent. Informationen ja, aber wenig Emotionen.

Die Eingangshalle des IWM von oben

Fazit

Als ich nach ca. 2 ½ Stunden das Museum verließ, war mein Informationsbedarf über Krieg mehr als gestillt. Zu realistisch, bewegend, erschütternd waren die Ausstellungen über die beiden Weltkriege. Die gewonnenen Eindrücke ließen mich eine ganze Weile nicht mehr los. Als ich dann auf dem Weg zur U-Bahn-Station durch den Regen stapfte, nahm ich dies ob der Erinnerungen aus den vergangenen 2 ½ Stunden in diesem Moment kaum wahr.

Ich hatte meinen Hunger nach Informationen mehr als gestillt. Kriegsschauplätze, Waffen und Fahr-/Flugzeuge hatten allen Reiz verloren.

Natürlich hatte ich mir die Flugzeuge an der Decke aus allernächster Nähe angeschaut. Auch schoss ich reichlich Fotos von ihnen. Es war schön, die in meiner Kindheit in Büchern gelesenen Beschreibungen der Maschinen hautnah zu erleben. Allerdings rückte der Fokus auf Flugzeuge und Krieg im Laufe der Zeit immer mehr in den Hintergrund. Die technischen Entwicklungen waren bahnbrechend. Die Grausamkeiten des Kriegs aber deutlich vorherrschender.

Aus meiner Sicht das am wenigsten imposante Museum meiner London-Zeit. Sicherlich in seiner Art etwas ganz Besonderes. Aber – und das hoffe ich aus ganzem Herzen – für den allergrößten Teil der Besucher ernüchternd und abschreckend, was das Thema betrifft.

Außenanlage des IWM-Gebäudes beim Verlassen der Ausstellungen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert