Wenn einer etwas Gutes tut…

Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“

Einleitung

Wer hat ihn nicht – den „besonderen“ Ort?

Es sind oft die einfachen Dinge. Der abgelegene Platz zum Zurückziehen, wenn man Kummer hat. Der Lieblingsbaum, den man jederzeit umarmen kann und der einem bei allen Sorgen und Nöten gewissenhaft zuhört. Ohne Wenn und Aber. Oder auch die Bank an einem geliebten Ort, auf der man sich niederlässt und alles von einem abfällt. Dies sind die Orte, die einem die bestmögliche Gelegenheit geben, die Gedanken zu sortieren oder auch nur ein bisschen innere Ruhe zu finden. Wer einen solchen Ort hat, weiß ihn zu schätzen. Und wer nicht, der weiß nicht, was ihm fehlt.

Die einsame Bank am Ende des Weges

Auch ich brauche gelegentlich einen solchen Ort. Und genau für diesen Zweck habe ich (m)eine Rückzugsbank.

Vor einigen Monaten hatte ich sie zufällig bei einem Spaziergehen gefunden. Sie lief mir quasi über den Weg. Etwa abseits von meinem Heimatort gelegen, stand ich plötzlich vor einer einfachen Holzbank am Wegesrand, die mich spontan zum Verweilen einlud. 

Mein Ort der Idylle

Es war damals eher eine Liebe auf den zweiten Blick. Denn anfangs nahm ich sie nur am Rande wahr und setzte mich nur gelegentlich drauf. Doch je mehr ich das Plätzchen am Wegesrand aufsuchte, desto mehr liebenswerte Details fielen mir auf. Da war der wunderschöne Blick über meinen Heimatort, der mich immer wieder packte und den ich im Laufe der Zeit unzählige Male auf Fotos festhielt. Es waren aber auch die zahllosen Bäume und Büsche ringsum, die die liebevoll in Schotter gefasste Bank mit ihren Ästen und Blättern in allen Jahreszeiten eindrucksvoll in Szene setzten. Und da war auch die Ruhe, die dieser spezielle Ort ausstrahlte.

Als ich vor einigen Wochen früh morgens dorthin aufbrach und den aufgehenden Tag mit all meinen Sinnen genießen konnte, war sie mir dann endgültig ans Herz gewachsen. So schön raschelten die Blätter nirgendwo im Morgenwind. Und so harmonisch klang das Konzert der morgens erwachenden Vögel an keinem anderen Ort der Welt. An diesem Platz fand ich meinen Abstand zu allem, was störte und innerlich beschäftigte. Genau hier gehörten meine Gedanken nur mir und hier konnte ich ihnen freien Lauf lassen.

Unter dem Thema „Rückzugsorte“ hatte ich diesen wunderbaren Platz der Ruhe vor einigen Monaten bereits thematisiert und gehuldigt. Es war „mein“ Platz. Nur die eingefasste Bank und ich. Nur die Natur um mich herum, die Bank unter meinem Popo und sonst nichts.

Vorboten drohenden Ungemachs

Diese Idylle bekam vor einigen Wochen ihre ersten Risse. Es war ein Samstag und einer der ersten kälteren Tage des Spätsommers 2020. Mein regelmäßiger Spaziergang führte mich voller Vorfreude wieder an meinen Lieblingsort.

Dort eingetroffen, spürte ich es sofort. Da war irgendetwas anders. Denn es hatte sich jemand an dem Platz zu schaffen gemacht. Ein paar Meter rechts neben der Bank steckten in einem ca. 4 x 5 Meter großen Rechteck angeordnet vier Pflöcke im Boden. Holzpflöcke mit roter Markierung. Mitten im Gras. Ich dachte mir nichts Großes dabei, fand die gewünschte Ruhe und ging nach kurzer Zeit weiter.

Erdarbeiten

Erste Vorboten

Zwei Wochen später dann die nüchterne Erkenntnis: diese Pflöcke hatten ja doch einen Zweck gehabt. Denn dort, wo diese vormals eingeschlagen waren, war das saftig grüne Gras abgetragen worden. An dessen Stelle befand sich nun eine Betonplatte. Eine hässliche, circa 4 x 5 Meter große, graue Bodenplatte. Frisch gegossen. Schrecklich. Dazu hatte sich rundum jemand an den Büschen ausgetobt und diese radikal gestutzt.

Doch damit nicht genug. Ein paar Tage später ging ich tagsüber wieder dort vorbei und beobachtete einen jungen Mann, der sich an dieser Stelle mit seinem Bagger zu schaffen machte. Oje, dachte ich mir, umfangreiche Erdarbeiten. Was mag da wohl bei herauskommen? Das kurzfristige und leider unübersehbare Ergebnis war eine Lichtung wie nach einem Kahlschlag. Eine ehemals hübsche Wiese platt planiert und um ihr natürlich gewachsenes Gestrüpp beraubt. Dazu waren rings um die Betonplatte Fliesen eingelassen. Der schöne, urgemütliche Ort wirkte nun plötzlich steril und unpersönlich.

Holzblockhütte

Doch es ging in raschem Tempo weiter. Denn vor einigen Tagen dann die hässliche Gewissheit.

Holzhütte im Bau

Die Betonplatte war nun zwar verschwunden. Dies aber nur, weil man etwas darauf gebaut hatte. Jemand hatte begonnen, eine Holzblockhütte zu errichten. Klotzig, massiv und unübersehbar direkt neben der einst so idyllisch gelegenen Bank. Der geliebte Ort war nun nicht mehr eine Bank, die zu Erholung, Besinnung und Ruhe einlud. Nein, es war nun eine Art Grillplatz mit imponierender, zentraler Holzhütte mit einer kleinen, unscheinbaren Holzbank in deren Schatten.

Toll, dachte ich mir da war jemand am Werk gewesen, dem die Magie dieses Ortes komplett abging. Nüchterner Aktionismus vor gefühlter Wonne. Das war definitiv jemand, der wohl niemals vorher hier gewesen war und die Ruhe, Idylle und das Flair dieses Ortes aufnehmen konnte.

Wut und Machtlosigkeit

In meinem Kopf gingen viele Gedanken ein und aus. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Wut und Enttäuschung über diese Sinnlosigkeit staute sich auf. Ich weiß nicht, wer sich dies hat einfallen lassen. Auch ist mir nicht bekannt, welch großen Nutzen man sich davon versprach. Aber diese hässliche Hütte ist wieder mal ein Beispiel dafür, wie für etwas sinnlos Geld ausgegeben wurde, das wirklich niemand braucht. An dieser Stelle war mir in all den letzten Monaten und Jahren nicht eine Menschenseele begegnet. Geschweige denn, dass da mal jemand auf der Bank gesessen hätte.

Schöne Bank neben hässlicher Holzhütte

Man hat hier – sicher nicht böswillig – schlagartig das ganze Ambiente dieses schönen Ortes zerstört. Nicht mehr die hübsche, einsame Bank – der Ruheort -, steht nun im Mittelpunkt. Nicht mehr die Bäume und Büsche um diese herum. Und auch nicht mehr der Duft der Pflanzen, die Geräusche der Tiere und das Spiel des Windes in den Bäumen.  All dies war einer nüchternen, klobigen und dazu noch absolut hässlichen Holzhütte gewichen.  

Ab jetzt waren die schönen und besinnlichen Stunden an diesem Ort passé. Auf der Bank sitzend, wollte ab diesem Moment einfach keine Entspannung und Entschleunigung mehr aufkommen. Es gab keine bleibenden Eindrücke mehr, die man unbeschwert aufnimmt und im Herzen mit nach Hause trägt. Danke dir, du tolle Hütte.

Mein Appell an alle „Bessermacher“:

Viele Orte, ob in Ansiedlungen oder mitten in der freien Natur, haben ihren Reiz, ihr besonderes Flair. Sei es die besondere Lage oder die umgebende Natur. Oft auch nur, weil sie genau dort sind, wo sie hingehören. Sie haben eine Bedeutung. Genau so, wie sie einfach sind.

Natürlich kann man Vorhandenes besser machen. Aber nicht so. Wie leicht lässt sich die Magie eines besonderen Ortes auslöschen. Man pflügt das Gras weg und trägt eine ganze Menge Beton auf. Und nimmt dadurch der Natur ein großes Stück Freiheit. Wie auch den Menschen, die das Vorhandene liebgewonnen haben und es so lieben, wie es ist.

Nüchtern betrachtet, hat an diesem Ort mitten in der Natur eine solche Hütte vielleicht ihren Zweck. Schutz vor Naturgewalten, Ort der Begegnung und in Verbindung mit einem großen Lagerfeuerplatz eventuell der erhoffte Platz, den die Bewohner des nahen Dorfes für diverse Feierlichkeiten nutzen können.

Aber muss man denn immer gleich mit der großen Keule kommen? Muss immer der mögliche Zweck und das mit aller Brachialgewalt im Vordergrund stehen? Und hat sich überhaupt jemand im Vorfeld Gedanken gemacht, ob das überhaupt so gewollt ist?

Für mich stellt diese Hütte eine deutliche „Verschlimmbesserung“ dar. Mensch Leute, lasst doch einfach mal Dinge so, wie sie sind und wie sie gewachsen sind. Und nicht immer gleich Klotzen, wenn ein wenig Kleckern genügen würde. Vielleicht hätte es ein kleiner Unterstand anstelle der hässlichen, klobigen Blockhütte auch getan.

Abschied

Ich für meinen Teil machte mich mit einer Träne im Auge auf die Suche nach einem neuen Rückzugsort. Es würde sicher nicht leicht werden, denn hier hatte wirklich alles gepasst. Und mit der Suche kam in den folgenden Tagen und Wochen auch die Gewissheit, dass alles, was sich als Alternative findet, nicht mit „meiner“ verlorenen „Bank der Ruhe“ vergleichbar sein wird.

Ich weiß nicht, wer das verbrochen hat. Werde es wahrscheinlich auch nie herausfinden. Aber wenn, dann würde ich von ihm gerne wissen, was er sich dabei gedacht hatte.

Ein kurzer Nachtrag:

Wir haben Anfang Oktober 2020. Die Sonne strahlte so verlockend vom Himmel, dass ich mich wieder einmal auf den Weg machte, hier im Umkreis neue Wege und Orte zu erkunden. Als ich so über die Feder schlenderte, tat sich unverhofft ein neues Türchen auf.

Ungefähr zwei Kilometer von meinem ehemals Lieblingsort, meiner „Bank der Ruhe“, stand sie plötzlich in der Ferne. Beim langsamen Näherkommen nahm sie immer mehr Kontur an. Und als ich so vor ihr stand, schaute ich sie mir ein wenig genauer an. Vom rauen Wind und Regen leicht verwittert, aber mit einer ganzen Menge Charme fand sie sich in einer kleinen Grasbucht. Eine einsame Bank aus dunklem Holz, unauffällig am Wegesrand platziert. In Blickrichtung Ort stand sie in der Sonne und lud mich ein, auf ihr zur Probe zu sitzen.

Meine „Ersatzbank“

Als ich so dasaß und die Sonnenstrahlen in meinem Gesicht eine angenehme Wärme erzeugten, ließ ich meine Blicke über die Ferne schweifen. Über die Felder in der Ferne, auf der wie kleine Holzfiguren die Kühe und Pferde grasten. Und über die fernen Baumwipfel, die den herannahenden Herbst mit bunten Farben ankündigten. Als ich so dasaß und meine Sinne schweifen ließ, war das Gefühl wieder da. Ich hatte es lange nicht mehr so intensiv aufgenommen. Hier an diesem schonen Fleck Erde fühlte es sich wieder ein bisschen wie an meiner ehemaligen Lieblingsbank an.

Natürlich war nicht alles so wie von vorher gewohnt. Der Wind war hier etwas stärker, da in der unmittelbaren Umgebung keine Bäume und Sträucher standen und diesen abmilderten. Das ließ mich leicht in meiner warmen Jacke frösteln, war aber absolut nicht unangenehm.

Was in diesem Moment sofort zu meiner Freude auffiel: die Geräusche der Natur waren von dieser Position aus sehr intensiv wahrzunehmen. In dem nahen Wald machte sich gerade ein Schwarm Vögel fit für die Reise gen Süden und zwitscherte voller Vorfreude in allen Tönen. Auch das gelegentliche Bellen eines Hundes aus dem Ort wurde sanft herangetragen.

Ich schloss die Augen, hielt kurz inne und mir war in diesem Moment klar, dass hier etwas wachsen könnte. Dass mit jedem Besuch und jedem neu gewonnenen Eindruck die Bindung zwischen uns – der Bank und mir – stärker werden kann. Und vielleicht letztendlich die große Chance bestand, dass ich an dieser schönen Stelle meine neue Rückzugsbank finde würde. Etwas ferner vom Schuss und dennoch ganz nah. Das war eine schöne Fügung.

Und ganz wichtig: rundum war kein Platz vorhanden, auf dem man eine hässliche Hütte errichten kann.

Was ich noch sagen wollte…

Nach zahlreichen Recherchen fand sich der Urheber der Hütte. Die Hütte wurde durch den Kreis als Schutzhütte errichtet. Unserem Ort war genau eine einzige zugewiesen worden und diese musste genau an der Stelle errichtet werden. Entgegen der Meinung der Bürger meines Ortes; denn diese sind mit der Lage der Hütte auch gar nicht einverstanden.

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