Mit dem Bike in den Urlaub – Der Weg ist das Ziel

Kein Plan oder was?

Planungen im Corona-Jahr 2020 sind schon recht schwierig. Besonders die Freizeitaktivitäten, die mit Reisen und fernen Zielen zu tun haben. Eigentlich wollte ich wie in den letzten Jahren praktiziert wieder ein paar Tage Medien-Auszeit – „Medien-Detoxing“ – nehmen. Währenddem auf die Ernährung achten, bewusst genießen und körperlich aktiv sein. Dies hatte ich mir bereits im letzten Jahr in Bamberg und auch das Jahr davor im Elsass gegönnt. Daraus konnte ich Kraft für die anstehenden Wochen und Monate schöpfen.

Aber das ist dieses Jahr anders. Jederzeit drohen Einschränkungen und Verbote, die alle gemachten Planungen über den Haufen werfen können. Denn niemand weiß, was Dank Corona alles kurzfristig passieren kann. Sind aufgrund eines Massenausbruchs – der latent möglich ist – Reisen plötzlich verboten? Oder herrscht wieder absolutes Kontaktverbot? Oder muss man gar in Quarantäne, da man mit den falschen Leuten Kontakt hatte? Die Gefahr, dass ein geplanter Urlaub in die Hose geht, besteht in 2020 permanent.

Also blieb mein Vorhaben einer kurzen Reise, auf der ich komplett auf Medien verzichten wollte, erst einmal in der Schublade. Der Urlaub in der Firma war zwar bereits Anfang des Jahres fix gebucht, aber eine Reise nicht angesetzt. Bis vor einer Woche. Da kam mir der Gedanke, spontan mit dem Rad loszufahren. Einfach mal aufs Geradewohl. Ohne Plan und ohne festes Ziel. So weit die Räder tragen.

Nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel.

Doch ein Plan!

Der Gedanke reifte kurz und mir war klar, dass das nicht ganz so einfach umsetzbar war. Denn so spontan bin ich nun auch wieder nicht. Ganz ins Ungewisse war nicht mein Ding. Es ist schön, wenn man weiß, wo man abends sein Bett findet. Aber von zu Hause mit dem Rad losfahren wollte ich auf jeden Fall. Komplett ohne Auto oder Bahn unterwegs sein. Also anders. Jetzt galt es, die Strecke auszusuchen und Hotels zu buchen.

Die Herangehensweise war recht einfach. Essentiell für die Planung war, welche Strecke mein Rad und vor allem der darauf sitzende an einem Tag schaffen können. Das waren vorsichtig geschätzt mit E-Unterstützung 60 bis 70 Kilometer. Drei Tage wollte ich verreisen, also ungefähr 200 km gesamt. Folglich zweimal Rast mit Übernachtung. Es sollte an den Main gehen. Richtung Würzburg. Dank der App „Komoot“ kann man feine Touren planen. Ich tüftelte damit und heraus kam eine Tour nach Würzburg, von da nach Marktheidenfeld, Lohr am Main und wieder nach Hause. Eine Schleife von knapp über 200 Kilometer Länge.

Komoot – die Gesamtstrecke über 200 Kilometer

An den neuralgischen Rastpunkten lagen die Städte Karlstadt und Lohr am Main, in denen ich jeweils ein Zimmer buchte. Erste Rast im „Hotel Mainpromenade“ in Karlstadt, die zweite im „Hotel Bergwiesen“ in Lohr.

Vorbereitungen

Stauraum war rar. Denn das Mountainbike ohne Gepäckträger ließ nur den Rücken des Radlers als Transportmöglichkeit zu. In meinem Fundus befand sich ein großer, schon älterer Rucksack, der dazu herhalten musste.

An einem Mountainbike ist wenig Stauraum.
Ein Rad und ein Rucksack – nothing else.

Nach langem Hin und Her fand nur das Nötigste in diesem Einzug. Genug Radlerklamotten – auch  wetterfeste -, etwas zum Übernachten und den Aufenthalt dort, Verpflegung und allerlei Notfallzeugs fürs Rad. Also Lappen, Öl, Luftpumpe, Schloss und Ladegerät. Insgesamt mit Ach und Krach 11 kg, die mich die kommenden 200 Kilometer begleiten sollten.

Als Navi diente ein altes, ausgedientes Sony-Smartphone, auf das ich die Komoot-Strecke offline stellte. So klappte die Zielführung ohne Online-Verbindung. Für alle Fälle die Strecke und die Übernachtungsdokumente nochmals in Papierform. Man kann ja nie wissen.

Pro Tag setzte ich für die reine Fahrt ungefähr vier Stunden an. Inklusive oftmaliger und ausgiebiger Rastzeiten in Summe sechs Stunden. Abfahrt jeweils 10 Uhr morgens.  

Abfahrt am 24.08.2020

Die Sonne war an diesem Morgen hinter dicken Wolken versteckt und wollten so gar kein Reisefeeling aufkommen lassen. Aber ansonsten war alles für die große Fahrt angerichtet. Die beiden Fahrradakkus waren geladen, der Rucksack pickepackevoll und das Navi am Lenker montiert. Aufgeregt hievte ich mir gegen 9:30 Uhr den Rucksack auf den Buckel. Mann, war der schwer. Wie sollte ich den die 200 Kilometer tragen? Aber Augen zu und durch. Das wird schon irgendwie.

Radlers Freud

Und in der Tat ging es dann nach dem Start. Die ersten Kilometer waren zwar noch sehr ungewohnt. Das Gewicht auf dem Rücken und das in Kombination mit den zu erklimmenden Anhöhen war ein sehr schweißtreibendes Unterfangen. Doch irgendwann hatte sich alles eingeschubbert und das Gewicht fiel nicht mehr so auf. Rucksack und Rücken waren bald Freunde geworden.

Auf dem Radweg Richtung Gemünden.
Endlose Weiten lagen vor mir.

Die Landschaft war schön und abwechslungsreich. Auf lange Anstiege folgten gefühlt sehr kurze Abfahrten. Die Natur nahm ich in ihren zahlreichen Reizen mit allen Sinnen auf. Ständig fanden sich neue schöne Momente für Augen, Nase und Ohren. Und so fand ich allmählich in die Tour. Alle Sorgen fielen ab und es gab nur noch den Weg und mich. Und ich war auch nicht alleine unterwegs. Zu dieser morgendlichen Stunde waren schon einige weitere Fahrradreisende auf der Strecke. Jeder, der entgegenkam, wurde freundlich gegrüßt und bis auf ein paar wenige Stoffel gab es auch nette Erwiderungen.

Nach der Knochenarbeit „Hügellandschaft“ kam nach ca. 30 Kilometern das erste Zwischenziel „Gemünden“. Und mit ihm die Sonne. Gemünden hieß für mich Mainufer. Also auf gerader Strecke cruisen. Dazu den Blick stetig aufs Wasser gerichtet und dem Treiben dort zugeschaut. Kähne, Ruderer auf ihrer morgendlichen Tour und allerlei Wassertiere galt es anzuschauen. Genießen und viel Rast machen.

Radlers Leid

Erste Wehwehchen.
Erste Wehwehchen kündigen sich an.

Das mit dem Rastmachen stellte sich alsbald als bitter nötig dar. Denn erste Druckstellen an den neuralgischen Punkten oberhalb des Fahrradsattels machten sich bemerkbar. Mir wurde bewusst, dass dieser Punkt so gar nicht in meinen Planungen Berücksichtigung gefunden hatte. Verstärkt mit dem zusätzlichen Gewicht auf dem Rücken drückte das nach unten auf den Sattel und das Leid wurde immer größer.

Also variieren. Mal im Stehen fahren, dann ausrollen lassen und schließlich das Gewicht auf den Höckern anders verteilen. Oder Rasten. Und das wurde den Radlern am Mainufer mit schön platzierten Bänken schmackhaft gemacht. Dies nutzte ich ausgiebig. Je näher das Ziel rückte, umso mehr. Allerdings weniger der schöneren Landschaften als dem Schmerz am Allerwertesten geschuldet.

Karlstadt

Gegen 15:30 Uhr rollte ich in Karlstadt ein. Vorbei an einem hübschen Kinderspielplatz lag auch schon das Hotel. Wie der Name „Hotel Mainpromenade“ schon erahnen ließ, direkt am Fahrradweg. Der Check-in war schnell erledigt und ich freute mich auf meine Dusche. Ebenso wie mein Rad die Pause nach 75 vollbrachten Kilometern Fahrt.

Hotel Mainpromenade
Hotel Mainpromenade bei meiner Ankunft

Das Hotel erwies sich als eine gute Wahl. Neu gebaut mit sehr hübschen Zimmern und super nettem Personal. Dazu gab es einen Wellness-Bereich für die geschundenen Glieder, kostenfreies WLAN und eine abschließbare Fahrradgarage. Was dort sehr positiv auffiel, war die Liebe zum Detail. Alles passte zueinander. Gerade beim Blick auf das liebevoll arrangierte Kopfkissen musste ich grinsen. Dort lag ein Tütchen „Schlafschäfchen“. Süßer Gedanke. Die 81 Euro für das Einzelzimmer dort waren wirklich gut angelegtes Geld.

Der anschließende Gang durch den hübschen Ort – insbesondere die nahegelegene Altstadt – war eine willkommene Abwechslung. Und auch das obligatorische Eis in der Fußgängerzone passte zu meiner Stimmung. Gelöst, zufrieden. Kurzum „angekommen“.

Blick von der Ruine Karlstein auf Karlstadt am Main

Noch ein kleiner Tipp zu Karlstadt: Ich hatte bis zum Abendessen noch etwas Zeit und besuchte die Ruine der „Karlsburg“ am anderen Ufer des Mains hoch oben am Hang. Der Aufstieg lohnt sich! Von dort oben kann man den Ort in all seiner Pracht betrachten. Und sich stolz nach solch einer anstrengenden Tour im Burggarten auf eine wunderschön platzierte Bank fallen und den erlebten Tag Revue passieren lassen. Hier oben im Schatten der alten Mauern, von Bäumen und Büschen umgeben, war das der perfekte Ort, die Eindrücke sinken zu lassen und einfach mal in sich zu kehren und genießen.

Zurück im Hotel ging es zum Abendessen und mit einem warmen Mahl im Bauch fielen die Augen schon fast von alleine zu. Ohne Schlafschäfchen.


Exkurs „Genussradeln“

Ab dem Start am Vormittag des ersten Tags ging es ran an die Buletten. Wie bei meinen regelmäßigen Radtouren zu Hause gewohnt, ging ich die Strecke recht forsch an. Von anderen Radlern überholt zu werden, war keine Option. Auf ebenen Wegen im höchsten Gang „Strecke machen“ und dem Ziel entgegenstreben war das Motto. Ich hatte es mir zwar anders vorgenommen, aber irgendwie ging nicht langsam.

Impression Mainradweg – Entschleunigte Besinnungsfahrt

Weit vor Gemünden traf ich dann auf einen Radler, der mit seinen tausend Taschen am Rad ganz sachte und sichtbar mit sich zufrieden dahinfuhr. Er hatte eine Geschwindigkeit, die deutlich unter der meinen lag, dies aber stetig. Und bewusst jeden gefahrenen Meter genießend. Er grüßte mich freundlich, als ich an ihm vorbeisauste. Das gleiche tat er eine halbe Stunde später, als ich entkräftet auf einer Bank saß und er an mir freudestrahlend vorbeizog. Das gleiche Spiel begann dann von neuem. Ich überholte, er fuhr später wieder an mir vorbei.

In diesen Momenten wurde mir der eigentliche Sinn des Radfahrens – Radwanderns – bewusst. Das, was ich mir im Vorfeld vorgenommen hatte, aber nicht umsetzte, weil ich es bis dahin nicht verstanden hatte. Radfahren ist der stetige Fluss zu einem Ziel. Aber nicht im Ziel liegt das Glück, sondern im Weg zum Ziel. Es ist der Moment der Fahrt. Sein eigenes Tempo, seinen eigenen Flow zu finden. Und in diesem Flow den Genuss des Radfahrens zu erleben.

Fortan ging es deutlich langsamer vorwärts. Und damit ließen sich Natur und Eindrücke noch intensiver erleben. Und entspannter dem Ziel entgegengleiten. Den anderen Fahrer habe ich dann nie wieder gesehen. Ob es an meinem neuen Tempo lag oder er einfach die Strecke verlassen hatte, werde ich nie herausfinden.

Zweiter Tag, 25.08.2020

Morgenstund hat Gold im Mund

Kurz nach dem Sonnenaufgang in Karlstadt – Mainimpressionen

Nach einer erholsamen Nacht ging es wieder früh los. Vor dem Frühstück ein kleiner Spaziergang am Mainufer entlang und danach ein kurzer Gang in die Stadt zur Besorgung von Reiseproviant. Gut vorbereitet, machte ich mich gegen 9:45 Uhr auf die zweite Etappe meiner Maintour. Die Sonne schien und es versprach ein ganz toller Tag zu werden.   

Baumlehrpfad zwischen Zell am Main und Marktheidenfeld

Bis nach Zell am Main vor den Toren Würzburgs setzte sich mein Genussradeln vom Vortag nahtlos fort. Auf diesem Teil der Strecke waren dann auch schon fühlbar mehr Radler als am Vortag unterwegs. Es galt also, noch fleißiger als gewohnt die Entgegenkommenden zu grüßen.

Ab Zell am Main musste ich mich von dem stetig nebenan fließenden und so beruhigend wirkenden Main trennen. Es ging jetzt in die Pampa. Nach einem sehr knackigen Anstieg im Ort führten die Wege durch Feld, Wald und Wiesen. Es wurde deutlich anstrengender. Das Dahingleiten hatte abrupt ein jähes Ende gefunden. Richtung Marktheidenfeld ging es auf und ab. Auf schweißtreibende Anstiege folgten erholsame Abfahrten.

Nach dem gefühlt hundertsten Anstieg fiel mir etwas auf, was ich an mir noch nie festgestellt hatte. Ich redete mit mir selbst. Laut! Am stärksten Anstieg redete ich mir gut zu und spornte mich dadurch an. In der Abfahrt lobte ich mich für die geschaffte Mühe. Schon ein komisches Gefühl, wenn einem das selbst auffällt. Das ist wohl eine Erscheinung, die im fortgeschrittenen Alter zutage tritt. Andererseits tut dies ein Kollege schon so lange, wie ich ihn kenne. Und er ist deutlich jünger als ich. Komisch.

Nach meiner endlos langen Fahrt über Berg und Tal kam ich schließlich in Marktheidenfeld an. Ein Ort direkt am Main, den ich erst noch durchqueren musste.


Exkurs „Komoot“:

Streckenprofil Komoot- Finetuning ist auch hier nötig und sinnvoll.

Komoot ist eine fantastische App. Wer eine Reise plant, findet hier von anderen Nutzern eingestellte, bereits gemachte Reisen oder man kann sich seine eigene Tour zusammenstellen. So wie ich es getan hatte. Die einfache Routenführung ermöglicht es einem dann, auf dem richtigen Weg zu bleiben und das Ziel zu erreichen.

Man sollte der App aber nicht blind vertrauen. In der Vergangenheit stand ich oft auf meiner selbstgebastelten Tour mitten im Wald und der aufgezeigte Weg war einfach nicht mehr da. Oder – so wie auf meiner Main-Tour geschehen – wurde ich auf Straßen entlanggeführt, obwohl in unmittelbarer Nähe Fahrradwege angelegt waren. Es ist also durchaus sinnvoll, der Streckenführung mit einem gesunden Misstrauen entgegenzutreten. Oft ist es besser, der vorhandenen „realen“ Straßenbeschilderung zu folgen, als blind der App zu vertrauen. Dies bestätigte sich einige Male auf meiner Reise. Gerade in Marktheidenfeld gibt es so tolle Fahrradwege, um die alle ich anfangs erstklassig herumgeführt wurde. Sehr schade.

Endspurt nach Lohr

Am Mainufer angekommen, führte ab Marktheidenfeld wieder ein ebenerdiger Fahrradweg direkt in das ungefähr 20 Kilometer entfernte Lohr am Main. Klingt entspannend. War es aber nicht. Denn von Entspannung keine Spur. Am Ende der Fahrt kehrte mit Vehemenz das Leid des Vortags zurück. Ich nenne es mal den „Mainuferradwegsschmerz am unteren Teil des Sitzhöckers“. Entsprechend froh war ich, als ich nach einer leidensreichen Strecke mit ganz vielen Entlastungspausen ganz weit draußen im Lohrer Ortsteil Mombach am „Hotel Bergwiesen“ ankam.

Zwischenstation Marktheidenfeld
Zwischenstation Marktheidenfeld

Das Hotel war ein wenig Kontrastprogramm zum vorherigen. Die Einrichtung war ein ganzes Stück älter und die Aufmachung deutlich weniger aufregend und liebevoll wie in Karlstadt. Dazu gab es kein WLAN und das Hotel lag 2,5 Kilometer vom Stadtkern entfernt. Diese Strecke musste zu Fuß bewältigt werden, um die von der Reise stark belasteten Teile zu schonen. Und das mit auf dem Boden schleifenden Magen und schmerzenden Gliedern. Aber irgendwo mussten sich die eingesparten 20 Euro für die Übernachtung ja auch bemerkbar machen.

Allerdings lohnte der Weg in den Stadtkern durchaus. Mitten in der hübsch angelegten Altstadt fand sich die Pizzeria  „Bruschetta“, in der ich die leckerste (und größte!) Calzone Spinat meines Lebens serviert bekam. Und um die Ecke fand ich solch ein leckeres Tagesabschlussritualeis, dass mir fast gar nicht auffiel, dass mich auf dem Weg den Berg hinauf nach Mombach leichter Nieselregen begleitete.

Abgekämpft, aber glücklich fiel ich ins Bett und schlief ohne Unterbrechung durch bis zum nächsten Morgen.

Dritter Tag, 26.08.2020

Frühstart

Zwischen Lohr und Pfaffenhausen – traumhafte Radwege

Da ich am Vorabend früh ins Bett gefallen war, begann der Tag auch zeitig. Und das mit Getöse. Denn heute waren Sturmböen angesagt. Zusammen mit dunklen Wolken, die Regen versprachen, und einer mit Steigungen gespickten Strecke nach Hause kündigte sich ein herausfordernder Tag an. Zumal ja auch der Fahrradsattel über Nacht nicht weicher geworden war.

Entgegen meiner geringen Erwartungen war das Frühstück sehr reichhaltig und gut. Nichts fehlte und die Gäste wurden perfekt vom Hausherrn mit allen erdenklichen Leckereien verwöhnt. So konnte ich die Grundlage zur Bewältigung der Anstrengungen, die da kommen mochten, legen.

Fahreindrücke

Kurz nach acht ging es aufs Rad. Erst durch Lohr hindurch und dann auf Radwegen quer durch den Spessart. Von Anfang an zeigte sich ein gut ausgebautes Fahrradwegenetz. Hinter Lohr führten die Wege auf Asphaltstrecken durch schöne Täler und dichte Wälder hindurch und an zahlreichen Tiergehegen mit erstaunt schauenden Ziegen, Schafen und Kühen vorbei. Und das bei immer wieder durch die Wolken hindurchblickenden Sonnenstrahlen.

Natur und der einsame Radwanderer – Flörsbachtal im Spessart

Oftmals war ich von den schönen Eindrücken und Momenten so überwältigt, dass ich spontan mitten auf dem Weg stoppte, innehielt, der Natur lauschte, die schönen Bilder in mich aufnahm und minutenlang einfach nur den Moment genoss. Und reichlich Fotos schoss, die natürlich nicht annähernd den Eindruck einfrieren konnten, den ich in diesen Momenten in mir verspürte.

Kurz vor Abfahrt hatte mein Hauswirt, auf den Wind angesprochen, noch augenzwinkernd gesagt: „Sturm ist schön. Mit Rückenwind fährt es sich doch viel besser“. Aber ich merkte, dem war nicht so. Es ging auf und ab, immer wieder Wind von vorn und von der Seite. Aber von Rückenwind keine Spur. Der war wie weggeblasen. Es war sehr anstrengend und kostete richtig Körner.  

Mit jedem durchfahrenen Ort nahm ich ein Stück Spessart mehr in mein Wissensspektrum auf. Es ging durch Frammersbach, Lohrhaupten, Pfaffenhausen, Burgjoss, Mernes bis auf die steile Anhöhe bei Alsberg hinauf. Letztere war nur Dank Hilfe meines E-Motors bewältigbar, denn es ging schier unendlich auf Waldwegen nach oben. Immer wieder unterbrochen von kleinen Rastpausen in windgeschützter Lage.

Endspurt nach Hause

Letzte Rast in Steinau an der Straße

Nach Alsberg führte mich mein Navi wieder hinunter ins Tal. Hinein in die Brüder-Grimm-Stadt Steinau an der Straße. Am Schloss hindurch über die Altstadt hinunter in den Park vor den Toren der Stadt. Dort fanden sich große, einladende Bänke für eine ausgiebige Rast. Die war dann auch bitter nötig, denn es stand die letzte Etappe meiner Rundreise an. Die „Deutsche Märchenstraße“ musste erklommen werden. Von Steinau an der Straße hinauf zu den Fischteichen der Waltersmühle und dann im Endspurt durch das Siebenmühlental in meinen Heimatort.

Die letzten 13 Kilometer zogen sich noch einmal wie Kaugummi. Aber je näher ich an mein Zuhause kam, umso größer wurde mein Grinsen. Daran konnte auch der schmerzende Popo nichts mehr ändern. Also ich gegen Mittag dann zu Hause eintrudelte, war ich zwar mit den Kräften am Ende. Aber der Stolz überwog diesen Zustand mit Leichtigkeit. Hatte ich doch die ambitionierte, spontan zusammengestellte Herausforderung mit Bravour bestanden.

Fazit

Es geht tatsächlich. Man kann aktiv Entspannung erfahren. Und Dank Bewegung die innere Ruhe und Zufriedenheit finden. Entschleunigen. So paradox es klingt, auf dem Rad ist dies möglich. Die gewohnten, alltäglichen Mühen und Situationen kann man beim Dahingleiten ganz leicht hinter sich lassen.

Burggarten Ruine Karlsburg- Entschleunigung und Besinnung par excellence

Während der drei Tage dauernden Radtour fiel es wirklich nicht schwer, alle Medien und sozialen Verpflichtungen, Belastungen und schweren Gedanken komplett zu vergessen. Es gab nur das Hier und Jetzt. Die Natur und den Radler. Den stetigen Flow nach vorn. Und am Zwischenstopp angekommen, gab es so viel zu sehen. Interessante Innenstädte, Geschäfte, Menschen und neue Eindrücke. Da blieb keine Zeit für soziale Medien. Und dann abends endlich im Hotel angekommen, fielen die Augen wie von alleine zu. Da brauchte es keinen Fernseher als Einschlafhilfe.

Und die Umsetzung eines solchen Vorhabens ist nicht schwierig und aufwendig. Mit etwas Planung lassen sich auf einfache Weise mit dem Rad tolle Orte und Strecken erfahren. Mit der Wahl fixer Anlaufpunkte und im Vorfeld gebuchter Übernachtung kann unter normalen Umständen nichts passieren. Wenn dann schließlich auch noch das Wetter mitspielt, kommt man zwar körperlich geschafft, aber geistig erholt und befreit nach Hause.

Ich hatte es tatsächlich geschafft. Der Weg wurde zum Ziel. Nach anfänglich sportlicher Fahrweise ging es nach kurzer, externer Besinnung gemächlich voran. Ganz in meinem Wohlfühltempo dahingleitend. Die Sinne wurden dadurch geschärft und die Gedanken nahmen ihren Lauf.

Schon heute, kurz nach Rückkehr, fallen mir tausend neue Strecken ein, die erkundet und erfahren werden wollen. Ich freue mich drauf und kann es kaum erwarten, an die Umsetzung zu gehen

Optimierungspotenzial

Ja, trotz aller Euphorie am Ende war nicht alles optimal. Das konnte man bei meiner Premierenreise auch nicht erwarten. Deshalb gibt es einige Dinge, die vor der nächsten größeren Tour beachtet bzw. beschafft werden sollten.

Schlafschäfchen
Schlafschäfchen
  • Am Wichtigsten: ein langstreckentauglicher Fahrradsattel. Drei Tage am Stück machen auf dem tollsten Rennsattel die härtesten Weichteile mürbe.
  • Auch ist ein moderner, aufnahmefähiger Rucksack wichtig. Mit reichlich Staufächern und ergonomischer Anlage an den Rücken. Mein knapp 25 Jahre alter war sehr schwer und unhandlich.
  • Hotels in unmittelbarer Nähe der Innenstadt buchen. Am Hotel angekommen, mag man nicht nochmals aufs Rad. Und da sollte der Weg gut zu Fuß bewältigbar sein.
  • Komoot-Streckenvorschläge hinterfragen und optimieren. Oft findet sich in Schlagdistanz der angegebenen Straße ein Fahrradweg, der die paar Meter Umweg lohnt.

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