Mein Sprachen-Buddy auf „Tandem“
Mit Tandem zur perfekten Aussprache?
Situation
Wir haben Mitte März 2021 und immer noch hat uns die Pandemie fest im Griff. Reisen in ausgewählte Länder (Mallorca) sind zwar erlaubt, aber nur unter strengen Auflagen und stringenter Tests. Von einer Reisefreiheit sind wir also noch meilenweit entfernt. Jeder sehnt sich nach Normalität und möchte nach den langen Monaten unter Verschluss endlich mal wieder raus aus dem täglichen Hamsterrad.
Leider trifft dieses auch auf mich zu. War ich doch die letzten Jahre immer wieder mal in Europa unterwegs, um mit anderen Kulturen, Sprachen und Sehenswürdigkeiten Bekanntschaft zu machen. Vor drei Jahren (2018) war ich in Antibes zum Sprachunterricht in Französisch. Das Jahr darauf (2019) ging es für zwei Wochen nach London und letztes Jahr …. NICHTS.
Denn alles, was geplant war, ging in die Hose. Das Jahr 2020 war bestimmt von Angst und Verschluss. Nicht umsonst war laut Duden das Unwort des Jahres 2020 „Coronapandemie“. So bestimmte das magische Wort „Inzidenz“ unser tägliches Leben. Und diese Inzidenz bewirkte das große Schreckenswort des Jahres: „Lockdown“. Diese Begriffe und die daraus resultierenden strikten Reisebeschränkungen bestimmten unser erstes verlorenes Jahr. Und jeder hoffte auf 2021. Das Jahr, in dem alles wieder normal sein sollte.
Aber es kommt wie immer anders als man denkt. Die erhofften Impfungen finden aufgrund von Beschaffungsproblemen und Organisationsversagen nur in unzureichender Geschwindigkeit statt. Dazu treten immer wieder Herde neuer Virusmutationen auf, die unsere Regierung von einer Schockstarre in die nächste bringen. Die Konsequenz: auch in 2021 bisher keine Änderung zum schlimmen Vorjahr. Also auch wieder keine Reisen, kein Sprachurlaub und keine neuen Kulturen, die erkundet werden wollen.
Was tun?
Mein Jahresplan sah immer vor, einmal im Jahr in ein anderes Land zu reisen und dort die Kultur und Sprache kennenzulernen bzw. zu verbessern. Es droht nun also das zweite ziellose Jahr in Folge. Wollte ich doch dieses Jahr wieder auf die Britischen Inseln reisen, um noch mehr von dieser wundervollen Kultur kennenzulernen. Und um wieder ein wenig Feinschliff in die vorhandenen Sprachkenntnisse zu bringen. Das hatte ja bereits in 2019 so prima geklappt.
Was also tun? Wieder die Sprachentwicklung schleifen lassen? Mich immer wieder über die Situation ärgern, um letztendlich frustriert aufzugeben? Nein!!! Mein Entschluss stand nach kurzer Überlegung fest. „Ich suche mir einen Sprach-Buddy.“ Also jemanden, der in der Zielsprache ein „Native speaker“, also Muttersprachler, ist. Und wo findet man so was? Natürlich da, wo es nichts gibt, was es nicht gibt. Im Internet.
Vorauswahl und Tests
Also ab ins Internet. Unter „Sprachpartner“ finden sich bei der Google-Suche unzählige Ergebnisse. Und auf Anhieb interessante Treffer. Wer dann noch ein wenig tiefer in die Materie eintaucht, stellt schnell fest, dass es durchaus einige Plattformen gibt, die genau das bieten, was man sucht. Und das sind sprachbegeisterte Personen, die mithilfe ihrer Muttersprache eine fremde Sprache eintauschen möchten. Es wird ein aufgeschlossener, sympathischer und zuverlässiger Sprach-Buddy gesucht, der genau zu einem passt.
Und dazu gab es wie für fast alles viele aufgesattelte Rezessionen, die angeben, herauszufinden, welche der angebotenen Produkte das beste, günstigste, attraktivste und was auch immer sei. Ich las mich intensiver in die Thematik ein. Letztendlich stand dann der Entschluss fest, es einfach mal zu versuchen. Ist ja fast alles kostenfrei.
Sprung ins kalte Wasser
Ohne langes Vorgeplänkel folgte also der Kopfsprung ins kalte Wasser. Ich meldete mich bei einer, in den Bewertungsportalen attraktiven, Sprachaustauschplattform an. „Speakly“ wurde sehr empfohlen und dieser Empfehlung wollte ich Glauben schenken.
Mittels Google-Mail-Konto war man schnell mittendrin im Geschehen. Es musste noch angegeben werden, was man bot, also Deutsch, und was man wollte, also in meinem Fall Englisch. Kaum in medias res angekommen, gab es auch schon Personen, die Interessen zeigten. War das schön, so empfangen zu werden.
Aber diese Plattform erwies sich nach kurzer Zeit als nicht die richtige. Es gab durchaus Kontakte. Das war schön. Aber es stellte sich heraus, dass diese vorwiegend auf eines aus waren – mich. Oder vielmehr meine Telefonnummer. Fast jeder Kontakt – zumeist hinter hübschen Bildern irgendwelcher Mädels aus Fernost verborgen – kam nach ein paar wenigen Nachrichten auf mich zu, ob wir nicht die Plattform wechseln möchten. Dazu war natürlich die Nennung meiner Handynummer nötig, um dann auf WhatsApp oder auf sonstige Medien umzusteigen. Dies sollte man tunlichst vermeiden. Es sei denn, man ist auf unzählige SMS-, WhatsApp- oder sonstige Nachrichten aus. Und das nervte.
Aber ich blieb tapfer am Ball. Einige oberflächlichen (ernsteren) Kontakte kamen dennoch zustande, aber nach einem kurzen Chat-Austausch war dann auch schon Schluss. Und irgendwann war auch für mich das Fass voll. Das war dort doch ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich meldete mich also entnervt von der Dienstleistung ab.
Ein weiterer Versuch
Einen Versuch wollte ich noch wagen. Eine andere Buddy-Plattform finden, auf der die Sprache und nicht der Kommerz im Vordergrund stand. Denn ich war mir sicher, dass es so wie mir tausenden anderen Menschen auch geht. Und irgendeine Plattform muss es doch geben, auf der der Austausch von Worten und nicht der von Handynummern im Vordergrund stand.
Und da kam ich auf „Tandem“.
Anmeldung und Profil
Man gelangt auf dem PC, also Windows, durch einen Klick direkt auf die Homepage von Tandem. Oder man geht das Ganze eleganter per App auf Handy oder Tablett an. Ich wählte die mobile Version. Ohne großen Enthusiasmus lud ich die App auf mein Tablett herunter und erstellte mein Account – wieder mittels Google-Konto.
Zu Beginn wurden die essenziellen Daten, also Sprachwunsch und -kenntnis angefragt und ab ging es ins Abenteuer. Wichtig: jeder, der sich dort einloggt, sollte sein Profil schnellstmöglich vervollständigen.
Hier gilt es, in „Über mich“ Einträge über Interessen, Wunschgesprächspartner und Lernziele zu vervollständigen. Neben dem obligatorischen Foto gibt es den Punkt „Lernpräferenzen“, der aus meiner Sicht sehr wichtig ist. Hier erfährt ein Interessent, in welcher Art man kommunizieren möchte, wie viel Stunden man dafür plant und zu welchen Zeiten das möglich ist. Das zeigt auf Anhieb, ob man der richtige ist.
Funktionen und Navigation
Community
Der Startbildschirm zeigt vier große Bereiche, die unten in der Navigationsleiste angeordnet sind. Da ist zuerst die „Community“ zu nennen. Das ist sozusagen der Marktplatz. Hier finden sich die Lernwilligen, also potenziell anschreibbare Personen. Der Ablauf ist ganz einfach: Auswahl der Person, die man ansprechen möchte, auf das Bild klicken und mittels des Buttons „Nachricht“ das Chatfenster öffnen. Und dann einfach tippen, was einem so einfällt.
Allerdings sollte man sich vorher ein klein wenig mit der Zielperson beschäftigen. Denn es gibt durchaus auch Kriterien, die nicht alleine optischer Natur sind. Das sind in erster Linie Muttersprache und Zielsprache. Und natürlich der Sprachlevel. Was nutzt es einem, der die Sprache Englisch lernen möchte, wenn die Zielperson dies auch möchte und erst Anfänger ist? Das erkennt man übrigens an den Balken, die hinter der „Lernt“-Sprache aufgeführt werden. Je mehr ausgefülltes Blau, desto besser.
Im Profil finden sich noch weitere nützliche Angaben. Das Interessensspektrum der Zielperson zum Beispiel. Was interessiert sie und worüber möchte sie sprechen? Hier gibt es auch Informationen über den Wunsch-Buddy und natürlich das Sprachlernziel.
Ihr werdet sehen, wie viel Spaß es macht, hier einfach mal zu stöbern. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Tausende interessante Menschen. Und ganz viele, die genau das suchen, was zu mir passen könnte. Aber dazu später mehr.
Chats
Der Bildschirm teilt sich in zwei Spalten auf. Links, etwas schmaler, die Kontakte. Das sind die Menschen, die man angeschrieben hat oder die mich angeschrieben haben. Oder die, die mir folgen. Folgen muss aber nichts bedeuten. Nach einiger Zeit gibt es einige Menschen, die mich auf „Folgen“ gesetzt haben, mit denen ich aber niemals Kontakt hatte. Und die mich aufgrund ihres Sprachwunsches auch überhaupt nicht interessieren. Verstehe einer den Sinn dahinter. Hier erkennt man auch den aktuellen Status der Person (on- oder offline).
Kommen wir zu den Chats bzw. der Kontaktaufnahme
Bei der Auswahl einer der Personen auf der linken Seite öffnet sich rechts der Chatbildschirm. Man kann generell schreiben, sprechen, Bilder posten oder mittels Kamerasymbol oben rechts einen Videoanruf tätigen.
Zwecks Checks, ob überhaupt Interesse besteht, ist der Start in die Kommunikation mittels einer kurzen Nachricht sinnvoll. Das ist die galante Variante. Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Denn wer will schon gleich mit einer Sprachnachricht oder gar einem Videoanruf überrascht werden? Niemand!
Besteht Interesse, sollte man einfach mal in das Gespräch eintauchen und probieren. Und ihr werdet sehen: Es macht richtig Spaß, das Chat-Tool zu nutzen. Auch die Funktion „Audio Message“ (das Mikro unten rechts) ist sehr effektiv. Allerdings gab es immer wieder Probleme mit abgeschnittenen Nachrichten. Und das auf beiden Seiten. Hier liegt das Problem wohl in der Länge der Mitschnitte. Bei kürzeren Aufnahmen lief alles gut.
Der „Video-Call“ hat nie funktioniert. Jegliche Kontaktanwahl von beiden Seiten funktionierte nicht. Und das sowohl per PC als auch per App. Vermutlich sind hier die Server einfach nur überlastet. Aber es gibt ja noch Alternativen. Microsoft Teams, Skype oder was auch immer freuen sich, wenn sie hier genutzt werden können.
Korrekturfunktion
Was nutzt Sprachenlernen ohne Lerneffekt? Ohne Fehler keine Fortschritte. Und zur Kommunikation dieser gibt es ein ganz tolles Tool. Man startet es, indem man in der App für kurze Zeit die Nachricht, die man korrigieren möchte, antippt. Oder unter Windows mit der Maus drüberfährt und die erscheinenden 3 Punkte anklickt. Es erscheint eine kleine Auswahl und man klickt „Nachricht korrigieren“.
Hierzu möchte ich nicht viele Worte verlieren. Denn das Tool ist selbsterklärend. Und es macht auch Spaß, mal den Oberlehrer raushängen zu lassen. Einfach probieren. Das Ergebnis schaut dann richtig toll im Chatfenster aus.
Aber Vorsicht. Man sollte sich vor dem intensiven Gebrauch dieses Tools vergewissern, dass der Gegenüber das auch mag. Es gibt durchaus Menschen, die viel Rot als Demütigung empfinden und mit Samthandschuhen angepackt werden möchten/müssen. Also am besten vorher abklären.
Zertifikate
Wer nicht weiß, wie gut seine Sprachkenntnisse in seiner Zielsprache sind, kann sich in dieser Rubrik ein Zertifikat erstellen lassen. Das kostet zwar ein paar Euro (aktuell 2,29 €), kann aber durchaus Sinn machen. Es handelt sich hier um einen standardisierten Test über ca. 45 Minuten, der das ausgewählte Level bestätigt – oder auch nicht.
War die Zertifizierung erfolgreich, wird das erworbene Zertifikat auch an prominenter Stelle im Profil dargestellt. Ich finde, das ist eine gute Möglichkeit, seine Kenntnisse zu bestätigen oder auch Lücken zu erkennen. Was nicht so gut ist: man muss ein Zertifikat auswählen und dieses direkt ablegen. Schöner wäre, es wäre ein Test, der mittels nach Schwierigkeit gestaffelten Fragen das Level ermittelt und bestätigt. Aber da stehen sicherlich auch andere Motive der Betreiber im Vordergrund.
Auf jeden Fall eine prima Möglichkeit, für vergleichsweise günstiges Geld etwas Vorzeigbares zu erhalten.
Pro
Jedes Unternehmen, das solche Seiten auf den Markt bzw. ins Netz bringt, möchte Geld verdienen. Das ist nicht verwerflich, sind doch die Kosten für Server, Entwicklung und Unterhalt nicht unerheblich. Erfreulicherweise weicht diese Plattform von den üblichen Gepflogenheiten ab. Man kann nämlichen die Leistungen, die für einen vernünftigen Ablauf notwendig sind, kostenfrei nutzen. Es gibt keine horrenden Abo-Modelle, die einen über lange Zeit binden und die sich automatisch verlängern.
Man kann von Anfang an in allen Varianten Kontakt aufnehmen. Es gibt keinerlei Einschränkungen. Einzig etwas Werbung, die aber nicht wirklich stört. So wünscht man sich eine kundenfreundliche Gestaltung.
Wer noch ein klein wenig mehr haben möchte, kann die „Pro“-Version abschließen. Diese ist erstaunlich günstig. Knapp 20 Euro für ein Jahr ist echt fair. Dafür fällt jegliche Werbung weg, man kann die Mitglieder aus der räumlichen Umgebung herausfinden und es gibt u.a. auch noch eine Übersetzungshilfe.
Und wer möchte, dass diese Community auch zukünftig für alle kostenlos nutzbar ist, schließt dieses Abo ab und tut etwas für die Allgemeinheit. Aber Vorsicht, ein einmal abgeschlossenes Abo verlängert sich automatisch!
Erfahrungen
So, genug der Einleitung. Während der vergangenen 3 Wochen habe ich das Angebot ausgiebig testen können. Es gab gute und schlechte Kontakte, die mir in dieser Zeit über den Weg gelaufen sind. Und auch Dinge, die auffielen und die man wissen sollte, wenn man hier auf Buddy-Kontaktsuche geht.
Sprachen lernen versus reinem Spaßfaktor
Es gibt in der Tat auf der Plattform viele Menschen, die auf der Suche nach einem oder mehreren Sprachpartnern sind. Man erkennt die Aktivität dieser „realen“ Kontakte u.a. an den Bewertungen, die auf deren Profil eingetragen sind. Hier kann man einen Sprachkontakt bewerten. Je mehr und je positiver, desto attraktiver für nachfolgende.
Und man kann es an den Sprachen erkennen, die jemand als Ziel hinterlegt hat. Viele geben eine ganze Handvoll Sprachen an und in allen steht dann „Anfänger“. Daraus kann man schon erkennen, dass es jemand nicht ernst meint.
Spaßfaktor und Nepp
Ich kann mich da an einen Kontakt erinnern. Ein junger Typ, Muttersprache Englisch. Dazu eine ganze Batterie an Sprachen, die er lernen möchte. Unter anderem Deutsch. Ich kontaktierte ihn, da auch die Interessen spannende Gespräche versprachen. Es ging kurz hin und her. Und er offenbarte mir, dass er die vielen Sprachen nur angegeben habe, um möglichst viele Treffer zu landen. Quasi nach dem Motto: wer viele Köder auswirft, fängt viele Fische. Aber wer will solche Fische in seinem Netz haben? Keiner!!
Oder die süße Chinesin, die so herrlich süß naiv auf all meine Fragen antwortete. Welche Sprache sie lerne: „Europe.“ Wie viel Deutsch sie könne: „Only written German. Because German and English are similar.“ Und die danach gleich vorpreschte: „Do you use other writing software? Whatsapp?“ – Okay, spätestens da sollte jedem klar sein, dass auch diese Plattform einen gewissen Gefahrenfaktor beinhaltete. Und von diesen Varianten gibt es auch dort einige. Meist jung, hübsch, asiatisch und immer die gleiche Masche.
Schnelle Hilfe bei Missbrauch
Leider gibt es auch auf dieser Plattform Menschen, die diese für ihre „dunklen“ Zwecke einsetzen möchten. Das sind dann irgendwelche Links auf düstere Sex-Portale oder Mitglieder, die Finanzprodukte verkaufen möchten. Und es gibt eben auch welche, die einem vorgaukeln, soeben eine große Summe Geld gewonnen zu haben. Man müsse dazu nur den beigefügten Link anklicken und schon hätte man es.
Genau so etwas ist mir einmal passiert. Und genau dafür gibt es in der App oben rechts am Bildschirm drei Punkte, die man anklicken kann. Da steht dann neben „Blockieren“ auch „Nichteinhaltung der Tandemregeln“. Das habe ich in obigem Fall angeklickt. Und siehe da, wenige Minuten kam dann folgende Meldung:
Das nenne ich perfekten Kundenservice!
Ehrliche Kontakte
Lida aus Finnland
Gleich am ersten Tag hatte ich Kontakt zu einer jungen Finnin. Es stellte sich heraus, dass auch sie sich wenige Minuten vor mir neu angemeldet hatte. Wir chatteten uns zusammen und vereinbarten einen Termin, an dem wir erst Deutsch (für sie) und dann Englisch (für mich) schrieben. Aus der angesetzten halben Stunde wurde mehr als eine Stunde und wir verabredeten uns für weitere Lerneinheiten.
Aus Schreiben wurde dann nach ein paar Tagen „Voice recording“, also aufgenommene Sprache, die gestellte Aufgaben leichter erklären und lösen ließ. Das lief und läuft auch heute noch super. Wir haben regelmäßig Kontakt, lernen Kultur, Locations und eben die Sprache des anderen kennen und haben beide das Gefühl, gegenseitig voneinander zu zehren. So macht Lernen Spaß.
Oder Rescho.
Auch am ersten Tag kennengelernt. Er studiert hier in Deutschland und möchte unbedingt gutes Deutsch lernen. Es ging gar nicht lange hin und her. Wir stimmten uns ab und kurze Zeit später kommunizierten wir per Videocall. Spannend, hatte ich sowas bisher doch noch nicht gemacht.
Dieses 15 Minuten-Gespräch über Gott und die Welt machte einfach Spaß. Zwanglos, spontan mit jemanden sprechen, den man gar nicht kennt. Das ist besser als tausend Chatminuten. Auch hier bin ich noch in Kontakt. Das nächste Gespräch wird über ein Job interview gehen. Ich bin gespannt.
Wirthz aus England.
Mit ihm hat der Sprachaustausch von Anfang an super funktioniert. Wir stimmten uns anfangs ab, wie wir kommunizieren wollten. Er traute sich anfangs noch nicht, in Deutsch zu sprechen, also starteten wir ausschließlich in Chat-Form. Es ging beinahe täglich hin und her. Wir schrieben fleißig und immer längere Texte, korrigierte wie die Weltmeister und lernten von Tag zu Tag mehr von der anderen Kultur und Sprache kennen.
Meist waren es allgemeine Themen, die uns beschäftigten. Es ging um Familie, Job, die schlimme Pandemie, Hobbies und Gott und die Welt. Ab und an flossen grammatikalische Themen ein, die wir gegenseitig erklärten und lösten. Das dann zunehmend auch mittels Voice Message. Wir bauten gegenseitig Vertrauen auf und schufen dadurch eine gute Basis für den Lernerfolg. Und ich bin mir sicher, dass in wenigen Wochen der erste Sprachanruf passieren wird. In Englisch UND Deutsch.
Bernard aus Frankreich
Ein älterer Herr (64 Jahre), der für seinen Job Englisch benötigt. Wir verabredeten uns für einen Chat an einem Sonntagabend. Einfach um zu sehen, ob Sprachlevel und Interessen passen könnten. Letztlich war es Teams, mittels dem wir per Videocall kommunizierten. Leider stellte sich heraus, dass wir beide Muttersprachler suchen und der andere nicht das gesuchte Level bieten konnte. Aber auch das gibt es. Trial and error – wenn was nicht passt, dann sucht man weiter. Es gibt ja genug Lernwillige.
Indifferente Typen
Dann gibt es die Menschen, die man nicht einordnen kann. Zum Beispiel Israh – eine junge Frau aus dem Nahen Osten. Wohnt in Deutschland, spricht aber schlechtes Deutsch. Wir unterhielten uns in Deutsch und Englisch. Es zeigte sich auch bald, dass sie nicht Sprache, sondern Anschluss suchte. Und jemanden, der ihr in ihrem Leid ein offenes Ohr bietet. Auch das gibt es hier. Die Plattform ist kostenfrei. Und wo es nichts kostet, finden sich Menschen, die nicht nur die originären Leistungen der Plattform suchen.
Kosten
Tandem kostet nichts. Es gibt zwar eine „Pro“-Version, die mit jährlich knapp 20 Euro zu Buche schlägt. Aber diese Gebühr ist für den regulären Ablauf nicht wichtig. Man kann uneingeschränkt Lernpartner suchen und finden.
Technik
Das System ist ausgereift. Man fühlt sich gleich wie zu Hause und kann nach Herzenslust die Plattform nutzen und alle Menschen anschreiben. Das klappte immer gut, denn es ist alles selbsterklärend. Was nicht so gut klappt, sind die Video- und Audioanrufe. Da hat trotz vieler Versuche keine Verbindung geklappt. Wir mussten stets auf andere Medien wie Skype, Teams oder Jitsu umsteigen. Da ist wohl der Server etwas überlastet.
Was auch nicht reibungslos klappte, war das Versenden von Audio-Files. Man nimmt sie auf, kann sie nochmals anhören, löschen oder absenden. Oft stellte ich im Nachhinein fest, dass das versandte File nicht komplett aufgenommen bzw. auf dem Übertragungsweg abgeschnitten wurde. Nach ungefähr der Hälfte war der Ton weg. Das macht das Ganze sehr unberechenbar. Denn wer seine Session plant und gewissenhaft aufnimmt, ärgert sich doppelt, wenn sie auf dem Weg zum anderen verlorengeht.
Wir haben uns mit kürzeren Aufnahmen bis zu einer Minute versucht. Das klappte meist reibungslos.
Rückblick
Im Laufe meiner ersten Wochen habe ich viele interessante Menschen kennengelernt und deren Geschichten gelesen und gehört. Alleine die Tatsache, mit Menschen verschiedener Kulturen und Kenntnisse auf solch einfache Weise in Kontakt zu kommen, versprüht eine ganze Menge Charme.
Aber es gibt nicht viele, die eine dauerhafte Sprachfreundschaft suchen. Meist gibt es den ein oder anderen Chat, der auch über einen längeren Zeitraum laufen kann. Aber es ist kein zielgerichtetes Lernen. Ein Austausch von Informationen ja, aber grammatikalisch bzw. im Vokabular verbessern ist hier trotz allem schwierig. Da muss man Glück haben und den perfekten „Buddy“ finden.
Summa summarum
Es macht Spaß, mit Tandem Sprachpartner, „Lern-Buddies“, zu suchen. Die Plattform ist ausgereift und es macht regelrecht süchtig, immer wieder mit neuen Menschen in Kontakt zu treten. Auch wenn es manchmal vergebene Mühe ist oder sich der interessante Kontakt als oberflächlich oder nicht interessiert herausstellt.
Aber egal wie – es macht ganz doll viel Spaß. Ich bin froh, Tandem gefunden zu haben. Und mag es nicht mehr missen.
Noch ein Tipp zum Schluss:
Wer hier intensiv zu Gange ist, immer wieder Leute anschreibt, mit diesem kürzer oder länger Kontakt hatte, sollte sich eine Liste erstellten mit all den kontaktierten Menschen. Nichts ist peinlicher, als ein paar Wochen mit genau den gleichen Worten eben einen solchen „alten“ Kontakt nochmals anzuschreiben.