Lilly Among Clouds in Concert
Live am 19.12.2019 in der Würzburger Posthalle
Einleitung
Erstkontakt
Ich erinnere mich ich an ein Erlebnis vor einigen Jahren. Es war irgendwann Ende 2014/Anfang 2015.
Damals nahm ich ab und an sonntagmorgens in die CityChurch Würzburg an einem evangelischen Gottesdienst teil. Dieser Gottesdienst war sehr weltlich. Es kamen also durchaus viele modernere Themen zum Zuge. Dazu wurden auch immer wieder Künstler der Region in das Programm integriert.
An einem solchen Morgen war eine junge Frau in dem Programm eingebunden. Sie spielte an ihren e-Piano und sang dazu. Und dies in einer wirklich außerordentlich schönen Weise. Einprägsame Melodien und eine wirklich tolle Stimme. Dieses Erlebnis damals in der CityChurch ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Die Künstlerin trat damals unter dem Namen Lilly auf. Damals noch mitten im Studium. Eine künstlerische Karriere in ihren Kinderschuhen.
Der nächste Schritt
Am 23. Februar bekam ich von einer Freundin aus Würzburg, die mit mir die Leidenschaft zur Musik teilt, die Frage gestellt, ob ich mich noch an Lilly aus der CityChurch erinnern könne. Diese habe am deutschen ESC-Vorentscheid teilgenommen, aber leider nicht gewonnen.
Beim Anhören des Liedes „Surprise“ kamen sofort meine Erinnerungen an diesen Act in der CityChurch Würzburg zurück. Ein wirklich gelungener Song, der Lust auf mehr machte. Zusammen mit dem 2017 erschienen Album „Aerial Perspective“ , welches auf Spotify verfügbar war und mich sogleich begeisterte, rückte „Lilly Among Clouds“, wie sie sich nun nennt, erneut in meinen Fokus.
Als ich dann kurze Zeit später erfuhr, dass eben diese am 19. Dezember 2019 ein Konzert in der Posthalle Würzburg geben wird, gab es kein Halten. Die Karte dafür war innerhalb von Minuten über Eventim gebucht.
Das Konzert
Ich ziehe es einmal – wie auch schon in meinem Beitrag „Alexa Feser in Concert“ praktiziert – zu Beginn nüchtern auf, um dann schließlich das von mir erfahrene Ereignis emotional einzuordnen.
Die Location
Die Posthalle liegt etwas versteckt am Hauptbahnhof Würzburg. Hinter einem unscheinbaren Tor befindet sich der Eingang zu den großen Hallen des Gebäudes. Es geht dort ein paar Treppenstufen hinauf in einen durch schwarze Vorhänge vom Rest der Halle abgetrennten Bereich. In diesem fand das Konzert stattfand. Eine große Theke im hinteren Abschnitt, daneben die Garderobe und auf der gegenüberliegenden Seite der Eingang zu den Toiletten. Nüchtern und funktionell eingerichtet.
Was leider sofort auffiel: es war kühl im Raum. Bei knapp unter 10 Grad im Freien wurde dort anscheinend nicht geheizt. Leider hatte ich vorschnell meine Jacke abgegeben, was sich im Laufe des Abends als kleiner Fehler erwies.
Das Publikum
Ein Wort trifft es ziemlich genau: gemischt. Würzburg ist Studentenstadt. Entsprechend verteilte sich der Großteil des Publikums auf diese Altersgruppe. Aber auch junge Eltern mit ihren Kindern waren gekommen. Man traf aber auch musikbegeisterte Zuschauer im gehobenen Alter bis ca. 65 an.
Schon früh bildete sich ein Grüppchen, das seinen Platz ganz vorne an der Bühne einnahm und diesen bis zum Konzertbeginn verteidigte. Das waren die ganz harten Fans. Diese wollten Lilly Among Clouds ganz nah erleben.
Allerdings war das Konzert nicht gut besucht. Geschätzt 200 bis 300 Zuschauer hatten den Weg in die Posthalle gefunden. Angesichts der Tatsache, dass das Konzert in der Wahlheimatstadt Lillys stattfand, wirklich sehr wenige. Und wenn man sieht, welch musikalische Entwicklung und imposanten Aufstieg die junge Sängerin in den letzten Monate erfahren hat, schlichtweg enttäuschend.
Die Bühne
Die Bühne war mittig an der Längsfront des Raumes aufgebaut. Es ging ca. einen Meter hoch auf das Podium, auf dem schon weit vor Beginn das komplette musikalische Equipment der Künstler aufgereiht war. Auf beiden Seiten der Bühne hingen große Lautsprecher an der Decke, die direkt auf das Publikum ausgerichtet waren. An großen Trägern an der Decke waren die Lichtanlage und zusätzliche Soundelemente montiert.
Der Sound erwies sich an diesem Abend als sehr gut. Wir, das Publikum, standen im Zentrum der Beschallung. Und konnten diese auch klar und kraftvoll genießen.
Die „Vorband“
Die Vorband bestand aus dem Singer/Songwriter Mark Lang aus Australien. Sein Repertoire besteht aus feinfühligem Storytelling. Er saß mit seiner Gitarre auf der Bühne und sang vom Leben, der Liebe und Freunden. Dazwischen immer wieder mal ein paar Worte ans Publikum. Er erzählte Episoden zu seiner Musik, die Hintergründe und manch kleiner Scherz mischte sich auch in seine Ausführungen.
Vom Musikstil eigentlich Kontrastprogramm zum eigentlichen Hauptakt. Hier die nur mit Gitarre unterlegten sanften Worte. Dort der erhoffte kraftvolle, lebendige Sound der Band Lillys. Und dementsprechend reserviert war das Publikum in Bezug auf den Künstler. Wer auf den lebendigen Pop von Lilly wartete, musste sich erst an die ruhigen Töne Marks gewöhnen.
Für mich persönlich war es eher eine Überbrückung der Wartezeit zum Hauptkonzert. Ganz nett anzuhören, sicherlich auch im Genre sehr populär. Aber nichts, was mich vom Hocker riss.
… und schon gar nicht ausreichte, die eher kühlen Temperaturen im Raum etwas anzuheizen.
Der Auftritt
Erwartung…
Gegen 21 Uhr betraten Lilly und ihre Band die Bühne. Eine schüchtern wirkende junge Frau in schwarzer Hose und weißem, bedrucktem T-Shirt mit ihren drei jungen Musikern. Einer am Keyboard, einer an der E-Gitarre und der dritte am Schlagzeug.
Die Stimmung war vor dem ersten Lied noch dem Ambiente des Saals angepasst. Erwartungsgespannt, nüchtern, aber auch leicht kühl wie die vorherrschenden Temperaturen. Hatte doch der Künstler Mark Lang es nicht vermocht, die Stimmung etwas anzuwärmen. Das Publikum wartete nun interessiert auf den Start dieser vier Musiker, die da so unscheinbar auf der Bühne standen.
… und Realität
Als dann das schüchtern wirkende Mädel mit den ersten Akkorden den Song „Closeness“ aus den neu erschienenen Album „Green Flash“ anstimmte, war schon klar: Dies wird ein außergewöhnlicher Abend werden. Dieses unscheinbare Wesen wird mit ihrer gar nicht so schüchternen Stimme das Publikum in ihren Bann ziehen. Die beiden ersten stimmgewaltig und mitreißend vorgetragenen Songs aus dem neuen Album durchbrachen die Kühle und nahmen das Publikum sogleich mit auf ihren Weg. Auf ihre ganz besondere Reise.
Lilly und ihre Band spielten in 90 ausgesprochen kurzweiligen Minuten ihre bekannten und weniger bekannten Lieder. Und jedes Lied hatte seine Magie. Viele Lieder melancholisch wie zum Beispiel der ESC-Song „Surprise“, der gewaltig unter die Haut ging. Perfekt, kraftvoll und mit viel Gefühl ohne Unterstützung der Band am E-Piano vorgetragen. Einfach zum Dahinschmelzen.
Aber das Repertoire umfasste auch groovige Songs wie „Love You Forever“, die mir ihrem Rhythmus das Publikum packten und zum Mitgrooven animierten.
Vergessen war nun die kühle Halle, vergessen waren die anfängliche Unsicherheit und die nur kleine, überschaubare Zuhörerschaft. Als dann am Ende die Band namentlich vorgestellt wurde, war leider allen gewiss, dass dieser schöne Abend bald vorbei sein würde.
Natürlich gab es eine ausführliche Zugabe. Ein noch nicht veröffentlichter Song, der von Lilly nur mit Gitarre ohne Band vorgetragen wurde. Und zwei „Rausschmeißer“, die nochmals verdeutlichten, welch großartige Künstler und welche einzigartiges Konzert die Zuhörer erfahren hatten.
Entertainment
Zwischen den Songs immer wieder ein paar Worte Lillys. Sie berichtete in kürzeren oder auch mal längeren Passagen über die Entstehung einzelner Songs. Welche Gedanken sie beim Schreiben dieser beeinflusst hatten und die den Song so machten, wie er ist. Dabei sprach sie oft das Publikum direkt an und verstand es geschickt, mit Witz und Charme den Bogen zwischen den einzelnen Acts zu spannen.
Der kräftigen Stimme aus den englischen Songs folgten etwas schüchtern vorgetragene Sätze in Deutsch. Ob ihrer bayerischen Herkunft auch mit Einflüssen der Region. Dabei wirkte sie leicht unsicher und verlor auch ab und an mal den Faden. Dies war der Nervosität geschuldet, wurde aber mit ihrem Charme und der unglaublich sympathischen Authentizität mehr als ausgeglichen.
In einen Song wurde die Audienz sogar direkt eingespannt. Wir alle vor der Bühne übernahmen einen kleinen Part im Refrain und jeder brachte sich stimmgewaltig in diesen ein. Ein wirklich schönes Erlebnis.
Emotionen und Eindrücke
Es war kalt in der Halle. Und diese zudem auch verhältnismäßig gering gefüllt. Dies stellte eine schwere Hypothek für Lilly dar. Ganz zu Beginn des Konzerts, als der Bogen zum Publikum noch nicht vollends gespannt war, lag die Nervosität aller Beteiligten noch schwer im Raum und resultiert in ein paar Verhasplern der Sängerin.
Doch Schritt für Schritt, Lied für Lied, zog die Wärme über die Zuhörer. Die warme und facettenreiche Stimme Lillys umschlang jeden einzelnen im Zuhörerraum und zog ihn in ihren Bann. Die natürliche und so authentische Art der Künstlerin ließ die anfangs störenden und wichtig scheinenden Faktoren schnell vergessen. Und gerade die kleinen Stolperstellen machten das Konzert persönlich und brachten Nähe zueinander. Wir litten gemeinsam, wir sangen gemeinsam und wir genossen gemeinsam den Augenblick. Gerade das Nichtperfekte machten den Abend zu einem perfekten Erlebnis.
Beim Anpielen des letzten Lieds aus dem Hauptprogramms „Your Hands are like Home“ – ein sehr emotionaler Song – brannten plötzlich in den ersten Reihen die Wunderkerzen und diese wurden im Takt der Musik geschwenkt. Zusammen mit dem sehr unter die Haut gehenden Song der perfekte Auslöser für Kribbeln und Gänsehaut.
Als Lilly am Ende der Vorstellung mit leicht zitternder Stimme sagte, dass dieses Konzert auch für sie ein unglaublich schönes Erlebnis gewesen sei und sie dafür sehr dankbar sei, hingen wir an ihren Lippen. Jeder einzelne im Raum fühlte, wie viel ihr diese Aussage bedeutet. Sie schloss diesen emotional ergreifenden Moment mit den beeindruckenden Worten, die mir den ganzen Abend auf dem Weg nach Hause nicht mehr aus dem Kopf gingen:
„Musik ist ein bisschen wie Liebe. Je mehr man sie mit anderen teilt, desto größer wird sie.“
Dem bleibt nichts mehr hinzuzufügen.
Was fehlte?
Wir hatten alle ein bewegendes Konzert erlebt. Lilly rückte mit jedem Song, mit jeder emotional vorgetragenen Sequenz immer näher mit dem Publikum zusammen. Es entstand eine Bande zwischen Act und Audienz.
Perfekt wäre gewesen, hätten Lilly und die Band nach dem Konzert diese emotionale Nähe von der Bühne mit herunter getragen und den direkten Kontakt mit den Menschen im Saal gesucht. Sehr gerne hätte ich mir ein persönliches Autogramm gewünscht. Und vielleicht ein kleines Selfie mit ihr für die Geschichtsbücher….
Was war zu viel?
Definitiv der nervige Typ im Hintergrund, der sich direkt vor dem Mischpult positioniert hatte. Diese immer wieder durch den Raum gerufenen blöden Kommentare waren einfach nur lästig und haben tierisch genervt. Stichwort „Fremdschämen“. Aber solche Menschen gibt es leider überall.
Fazit
Ein zart und zerbrechlich wirkendes Wesen mit einer unglaublich kraft- und zugleich gefühlvollen Stimme. Lasst euch von Lilly Among Clouds in den Bann ziehen.
Nicht nur durch die beiden erschienenen Alben, sondern auch live in ihren Konzerten. Es gibt kaum eine schönere Gelegenheit, musikalische Emotion zu erleben. In diesem Fall so sympathisch und kraftvoll vorgetragen, dass sie einen kühlen Raum umhüllte und mit musikalischer Wärme füllte. Und das bei leider nur geringer Zuschauerzahl.
Ich bin mir sicher, dass Lilly Among Clouds in den nächsten Jahren ihren musikalischen Weg gehen wird. Ihre Musik mit ihren zahlreichen Facetten begeistert nicht nur den Mainstream-Zuhörer. Und ihre kraftvolle und einprägende Stimme nimmt den Hörer mit auf ihre eigene Reise in eine ganz besondere, unbeschreiblich schöne, musikalische Welt.