Klein, aber fein - Frankfurter Bethmännchen

Weihnachtsbäckerei – Frankfurter Bethmännchen

Vorgeschichte

Alle Jahre wieder…

Es ist schon viele, viele Jahre her, aber ich erinnere mich immer wieder gerne an die Weihnachtsfeiern mit meinen Kindern bei Oma und Opa in Bad Orb. Der zweite Weihnachtsfeiertag war für sie und mich immer das Highlight des Jahres. Denn der große Ringelpiez mit der ganzen Familie stand an. Es war ein sehr schönes Ritual, das jeder, der daran teilnehmen durfte, auf seine ganz besondere Weise genießen konnte.

Meine nachfolgende Schilderung eines solchen Ereignisses stammt aus den frühen Jahren des neuen Jahrtausends. Meine Kinder waren damals noch sehr klein und der Weihnachtsmann für sie mehr als nur jemand, der Geschenke brachte. Und immer, wenn wir aufbrachen, war ihnen die Vorfreude im Gesicht ablesbar. Egal, wie groß die Hektik im Vorfeld war.

Das große Haus von Oma und Opa stand etwas erhöht abseits der Stadt mitten im Grünen. Man hatte von dort einen sagenhaften Blick über das ganze Orbtal. Und konnte die Kurstadt Bad Orb in all ihrer Pracht genießen. Alleine die Ankunft dort versprach Ruhe und Besinnlichkeit. Entgegen dem geschäftigen Treiben im Haus selbst, das die Vorweihnachtszeit so mit sich brachte.

Meine damalige Schwiegermutter war schon Tage vorher eifrig damit beschäftigt, den zweiten Weihnachtsfeiertag wieder zu einem ganz besonderen werden zu lassen. Überall war alles liebevoll weihnachtlich dekoriert und es roch herrlich nach leckeren, selbstgebackenen Plätzchen, frisch aufgestelltem Weihnachtsbaum und orientalischen Gewürzen. Und sobald dann am 26. Dezember weihnachtliche Klänge durchs Haus schwebten und der große Kamin im Wohnzimmer knisterte, war jedem klar, dass es bald losgehen würde. Die Gäste wurden erwartet.

Das Ritual beginnt

Und schon klingelte es an der Tür. Nach und nach trafen alle auswärtigen Familien ein. Man konnte bereits beim Öffnen der Tür aus ihren Gesichtern die Vorfreude ablesen. Und es klingelte oft, denn die Familie war sehr groß. Jeder war mit mehr oder weniger großen Taschen bepackt, deren Inhalt unter dem großen Weihnachtsbaum im Wohnzimmer seinen wohlverdienten Platz fand. Das war nicht ganz so einfach bei den fielen neugierigen Blicken der Kinder.

Als schließlich alle eingetroffen waren und der Platz unter dem Baum reichlich gefüllt war, fand man sich im Küchen-/Esszimmerbereich ein. Und man konnte es spüren. Das Knistern, das sich langsam im Raum aufbaute. Denn jeder wusste, was jetzt kommen würde. Und gerade die Kleinen konnten es kaum erwarten und wussten nicht, wohin mit ihrer ganzen Erwartung. Die Spannung war zum Greifen nah.

Bescherung

Dann plötzlich der sanfte Klang eines leisen Glöckchens im Wohnzimmer. Nanu, war das das Christkind? Man blickte sich fragend an. Das musste herausgefunden werden. Einer der Erwachsenen musste sich in den Raum trauen und nachschauen. Meist war es einer der starken Väter, der Mut zeigte . Die Luft war rein, das Christkind längst auf dem Weg zum nächsten Haus. Also konnte man sich – auch die ganz kleinen – zaghaft ins Wohnzimmer trauen und den großen Weihnachtsbaum mit den echten (!) brennenden Kerzen bewundern. Und beim Anblick der liebevoll arrangierten Päckchen wurden bei vielen die Augen immer größer.

Doch bevor es ans Verteilen der Geschenke ging, wurde natürlich gesungen. Man drapierte sich um den Weihnachtsbaum und einer stimmte ein bekanntes Weihnachtslied an. Der Rest fügte sich stimmlich gekonnt an. Es war ein wahrlich schöner Moment der Besinnung. Und die Kinder hofften insgeheim, dass es nicht so viele Lieder werden würden. Sie konnten es kaum abwarten. Denn das, was da für sie bereitlag, wollte ausgepackt werden.

Ihr werdet es sicherlich von der Bescherung in euren Familien kennen: Nachdem jedem von dem Schenkenden sein liebevoll verpacktes Päckchen persönlich mit einem kleinen Spruch überreicht wurde, gab es kein Halten mehr. Wenig später lag im ganzen Raum verteilt Geschenkpapier herum und jeder war mit seinen neuen Errungenschaften beschäftigt.

Kaffeekränzchen

Da war es auch nicht verwunderlich, dass es eine ganze Weile dauerte, bis alle geladenen Gäste am liebevoll geschmückten Kaffeetisch saßen. Und sich von Omas berühmten Köstlichkeiten verwöhnen lassen konnten. Neben Selbstgebackenem war es seit Jahren Ritual, vom örtlichen Bäcker, damals die Bäckerei Lindenmeyer in Bad Orb, eine Platte mit leckerem gemischten Kuchen in der Mitte des großen Tisches anzurichten. Alleine diese war schon ein Augenschmaus.

Selbstgemachte Weihnachtsplätzchen – nichts ist persönlicher

Aber es gab von der Bäckerei, die heute leider nicht mehr existiert, noch mehr. Und das war deren ganz besondere Spezialität. Sie war nicht groß, fiel deshalb auch nicht direkt ins Auge. Jeder, der auch schon die Jahre davor dabei gewesen war, freute sich ganz besonders auf diese Köstlichkeit. Denn sie gab es jedes Jahr nur an Weihnachten und war damit verbunden wie die Krippe mit dem Christkind.

Die kleinen Teilchen waren jede Sünde wert. Und damals schon sündhaft teuer. Man konnte sie in kleinen Cellophantüten kaufen. Ich glaube, damals befanden sich 10 oder 12 Stück in einem solchen Tütchen. Wer sich eines davon nahm, respektierte die Feinheit und Wertigkeit dieser Köstlichkeit. Diese war nicht zum Stillen des Hungers gedacht. Nein, sie war für die Seele und den Genuss. Denn jeden kleinen Bissen ließ man mit einem wohligen Gesichtsausdruck auf der Zunge zergehen. Klein, aber fein. Es steckte viel Arbeit darin, aber die war es wert.

Hierbei handelte es sich im die Frankfurter Bethmännchen.

Auferstehung

Direkt nach dem Abkühlen in die Dose – so bleiben sie lange frisch.

Auch Jahre danach erinnere ich mich gerne an diese schönen Stunden und auch an diese Köstlichkeit. Eines Tages vor vielen Jahren dachte ich mir, dass es doch kein Zauberwerk sein könne, die auch mal selbst zu backen. Und vielleicht sogar mein eigenes Ritual zu schaffen.

Im ersten Jahr war die Zubereitung noch etwas holprig. Genau nach Rezept war zwar der bekannte Geschmack da, aber sie waren noch nicht perfekt. Der Teig war noch nicht vollendet; es fehlte das gewisse Extra. Ganz abgesehen von der Form, die noch stark verbesserungswürdig schien. Rollen will eben gelernt sein.

Doch mit jedem Jahr wurde das Rezept mehr zu dem, was ich mir vorstellte und wie ich die kleinen, leckeren Teilchen in Erinnerung hatte. Denn das optimale Bethmännchen hat einen dünnen, leicht festen, äußeren Rand. Der Kern ist jedoch weich und zergeht auf der Zunge. So wurde im Laufe der Zeit statt Weizen- nussiges Dinkelmehl untergeknetet und die Zutaten sowie Mengen mit jedem Mal mehr und mehr optimiert. Und es entwickelte sich in meinem Hause die Liebe zum Bethmännchen. Dem perfekten Bethmännchen.

Backrituale

Meine Kinder sind mittlerweile groß und jedes geht seinen Weg, auf den ich sehr, sehr stolz bin. Aber von Anfang an war mir wichtig: egal, wo sie sich gerade befanden, meine Weihnachtsbäckerei sollte sie erreichen. Jedes Jahr wurde fleißig gebacken und es wurden Päckchen gepackt. Damit ihnen dieses ganz besondere Ritual rechtzeitig vorweihnachtliche Freude bereiten konnte.

Geschafft – Es steckt eine ganze Menge Arbeit drin, die sich aber immer lohnt.

Und dieses Ritual soll es noch sehr lange geben. Jedes Jahr. Egal, wo sie sich gerade befinden. Denn auch ich freue mich immer wieder auf den Duft, wenn meine Bethmännchen aus dem Backofen wollen. Auf den ersten Biss, der entscheidet, ob sie diesmal gut oder besonders gut geworden sind. Und im Stillen stelle ich mir die Gesichter meiner Liebsten vor, wenn sie mein Päckchen öffnen, die Blechdose herausnehmen und den Deckel anheben.

Nachfolgend das Rezept, mit dem ich mittlerweile nicht nur meinen Kindern jedes Jahr eine Freude mache. Auch meine Kollegen fragen frühzeitig nach, wann denn wieder die Weihnachtsbäckerei aufmache. Es sind jedes Jahr nicht viele Gaumenfreuden, die aus meinem Backofen kommen. Denn die vielen Schritte erfordern viel Liebe zum Detail und eine ganze Menge Geduld. Aber eines kann man sich sicher sein: jedes einzelne ist mit großer Hingabe bereitet und freut sich, wenn es mit dem besonderen Blick in den Augen auf der Zunge des Beschenkten zergehen darf.

Das Rezept

Vorbereitung: 120 Minuten, Backzeit: 18-20 Minuten (130 ° C)

Portionen: ca. 41 Plätzchen – je nach Größe

Geschichte:

Die Bethmännchen stammen aus dem Hause der Patrizierfamilie Bethmann. Sie werden mit drei Mandeln verziert. Früher waren es einmal 4 – für jeden Sohn der Familie eine. Als 1845 einer der Söhne starb, wurde eine Mandel weggelassen

Zutaten:

100 g Mandeln
250 g Marzipanrohmasse
80 g Puderzucker
30 g Dinkelmehl
60 g gemahlene Mandeln
1 Ei
2 EL Rosenwasser (gibt es in der Apotheke)

Zubereitung:

Die Mandeln überbrühen, die Haut abziehen und halbieren. Das Ei trennen. Dann die Marzipanrohmasse in eine Schüssel geben. Puderzucker, Mehl, gemahlene Mandeln und Eiweiß hinzufügen. Das Ganze gut verkneten und aus dem Marzipanteig Kugeln von ca. 2 cm Durchmesser formen. In diese werden sternförmig die Mandelhälften gedrückt, sodass sie zur Spitze zulaufen und kleben bleiben. Nun diese auf ein mit Backtrennpapier belegtes Kuchenblech leicht andrücken, sodass sich ein Boden bildet und sie nicht umfallen. Nun das Eigelb mit Rosenwasser verquirlen und die Kugeln damit bestreichen. Die Plätzchen anschließend im vorgeheizten Backofen bei 130°C etwa 18 – 20 Minuten backen lassen. Die Oberfläche der Bethmännchen färbt sich leicht braun. Herausnehmen, etwas abkühlen lassen und schließlich die fertigen Plätzchen vom Blech nehmen.

Tipp:

Am besten gleich nach dem Auskühlen in eine Blechdose mit Deckel setzen. So bleiben die Bethmännchen schön zart.

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