Readly – Erfahrungen mit dem elektronischen Kiosk
Es fing eigentlich ganz harmlos an
Aufräumen im Hause Lang. Müll entsorgen und die gelesenen Zeitschriften und Bücher auf den Dachboden schaffen. Als alle Zeitschriften sortiert und fein säuberlich in einem Karton lagen, musste dieser dann zwei Stockwerke nach oben ins „Trockenlager“ geschafft werden.
Und bei diesem Hochschuften kam mir dann der Gedanke über die Sinnhaftigkeit dieser Aktion. Und im nächsten Zug dann auch die Überlegung, ob das nicht einfacher und vor allem umwelt-/ressourcenbewusster gehen könnte. Müssen die vielen Zeitschriften, die ich innerhalb kürzester Zeit „vertilge“, denn sein? Nur, um einmal gelesen zu werden, anschaffen und dann ab in den Müll oder – wie in diesem Fall – ab nach oben zur endzeitlichen Lagerung?
Die lieben Ressourcen
Dazu ein paar Gedanken und Fakten zum Thema Papierverbrauch. Diese stammen aus einem WWF-Beitrag „Aus Wäldern wird Papier“, den ich hier gerne zitiere. Zu finden unter
https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/papierverbrauch/zahlen-und-fakten/
Jeder Bundesbürger verbrauchte in 2006 volle 253 kg Papier im Jahr. Das macht jeden Tag fast 700 Gramm, die wir verkonsumieren, also anschaffen und wegwerfen.
Mit dieser Menge verbrauchen wir wenigen Deutschen mehr Papier als die Kontinente Afrika und Südamerika zusammen. Für 2015 wurde in diesem WWF-Beitrag die Gesamtproduktionsmenge an Papier auf 440 Millionen Tonnen geschätzt. Tendenz steigend. Wie viele Bäume müssen dafür sterben? Und viele davon auch noch durch illegalen Holzeinschlag und Raubbau.
Und einige Bäume davon lagern auf meinem Dachboden. Schlimmer noch: weit mehr davon gelangen statt auf meinen Dachboden nach einmaligem Lesen (Zeitung, Zeitschrift) oder Nichtlesen (Stichwort „Werbeflyer“) direkt ins Altpapier. Also war meine neue Aufgabe geboren: Papierreduktion.
Gesagt, getan
Neben der Eindämmung der täglichen Werbeflut durch Anschreiben der betreffenden Firmen und großflächige Anbringung eines „Keine Werbung einwerfen“-Schilds sollte es auch den regelmäßigen Zeitschriften an den Kragen gehen. Meine Bestandsaufnahme zeigte stolze 12 Zeitschriften, die jeden Monat ins Haus flatterten. Dazu noch die obligatorischen Mitgliederzeitschriften vom ADAC und der Krankenkasse sowie Kataloge von Globetrotter, Runnerspoint etc.
Klar, man kann jetzt alles abbestellen, was auch bei den Katalogen und Mitgliederzeitschriften leicht zu bewältigen war. Aber die regelmäßigen Magazine hatten ja auch eine Berechtigung. Und auf die Infos daraus wollte ich auf keinen Fall verzichten.
Die eierlegende Wollmilchsau?
Da fiel mir online das Angebot des digitalen Kiosks, Readly, in die Hände. Über 4.000 Magazine unbegrenzt lesen, bis zu 5 Familienmitglieder gleichzeitig, offline lesbar und jederzeit kündbar. Und das Ganze damals als Kennenlernangebot für 99 Cent für 3 Monate. Das klang einfach zu verlockend, um es nicht auszuprobieren.
Meine größte Sorge war, all meine lieb gewonnenen Zeitschriften auch dort zu finden. Wer geht da schon gerne Kompromisse ein? Und natürlich die Handhabung. Mit Tablett auf der Toilette lesen? Klang befremdlich. Aber egal. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Der Einstieg
Das Konto bei Readly war schnell eingerichtet, die Bestätigung des Kontos war noch schneller da und ab ging es ans Tablet, um die App runterzuladen. Smartphone machte für mich von Anfang an keinen Sinn, denn das Lesen der Artikel auf dem kleinen Display ist doch sehr mühsam.
Mit dem Starten der Readly-App ging es auch gleich ins Magazine-Schlaraffenland. Bei meinem ersten Eintauchen in die 4000 Magazine fühlte ich mich in meine Kindheit in den Moment der Weihnachtsbescherung zurückversetzt. Mit großen Augen konnte ich gar nicht fassen, was sich mir da alles an Möglichkeiten bot. Auswahl nach Kategorien, Sprachen, Suche nach Inhalten. Magazine, Booklets, Tageszeitungen, … Alles, was das Herz begehrt. Und das in unerschöpflichen Massen.
Aber mit Bedacht …
Nach dem ersten Aha-Erlebnis ging es kühlen Kopfes daran, die physikalisch vorhandenen mit den digital gewünschten Zeitschriften abzugleichen. Und in der Tat war das recht positiv. Readly hielt, was die Werbung versprach. Bis auf „Geldidee“ war dort alles digital vorhanden. Sogar meine englischen Magazines „All about History“ und „How it Works“ fanden sich dort. Und noch tausend andere interessante…. Aber dahin kommen wir noch.
… und Systematik
Lassen wir die einzelnen Punkte systematisch analysieren.
Handhabung
Gerät
Auf dem von mir eingesetzten Tablet (Samsung Tab S2) läuft alles prima. Die Darstellung ist klar, die Auflösung sehr hoch und es gab bisher keine Abstürze. Dank verbundenem Netzwerkdrucker lassen sich sogar einzelne Seiten in bester Qualität ausdrucken. Speicherplatzprobleme sind auch nach dem Herunterladen umfangreicher Mengen nicht aufgetreten.
Für den Urlaub habe ich mir ein sehr einfaches, billiges Tablet (Samsung Tab E) angeschafft, welches nur für Internet und Readly im dortigen WLAN genutzt wird. Auch hier keinerlei Einschränkungen. Nach dem Login gleicher Leistungsumfang wie auf dem „großen“ Gerät.
Kontoverwaltung
Bis zu 5 Nutzer lassen sich ganz einfach anlegen. Somit hat jedes Familienmitglied seinen eigenen Zugang. Diese Accounts werden als separate Zugänge verwaltet. Somit kann jeder seine eigenen Zeitschriften als Favoriten markieren, laden und lesen.
Auch die allgemeine Verwaltung des Accounts bezüglich Bankverbindung, Passwortvergabe, Anlage neuer Profile ist übersichtlich gestaltet und auch für Novizen problemlos zu bewältigen.
Auswahl
Readly hat nicht zu viel versprochen. Es sind in der Tat mehr als 4.000 verschiedene Magazine, die man sich herunterladen und anschauen kann. Dabei sind wirklich alle erdenklichen Kategorien vorhanden. Auch Angler, Segler, Klatschpresseliebhaber, Tattoo-Freaks, Golfer, Fotografen, Radfahrer, Kreuzworträtsler oder Waffennarren kommen hier voll auf ihre Kosten. Es gibt nichts, wofür es keine Zeitschrift gibt. Und das in allen erdenklich möglichen Sprachen aus vielen Ländern. Und glaubt man den Herausgebern von Readly, wächst das Angebot stetig.
Sicher gibt es die ein oder andere Zeitschrift, mit deren Verlag kein Abkommen geschlossen wurde. Hier zu nennen wären z.B. „Der Spiegel“, die „Focus“-Zeitschriften oder meine bereits erwähnte „Geldidee“. Aber ganz sicher gibt es die gewünschten Informationen auch in ähnlicher Form in einem bei Readly vorhandenen Magazin. Zumindest fand sich für mich unter den Finanzzeitschriften guter Ersatz für die „Geldidee“.
Aktualität
Noch ein Punkt zum Erscheinungsdatum. Am Tag der Auslieferung am realen Kiosk wurden die Zeitschriften, Zeitungen und Magazine auch online zum Download bereitgestellt. Mein Start in den Tag morgens um kurz nach 6 Uhr fand immer mit einer Tasse Tee und den am gleichen Tag erschienenen Presseprodukten statt.
Entdecken
Diese Funktion halte ich für gefährlich – im positiven Sinne. Auf dieser Seite des Readly-Menüs werden aufgrund der vorher gewählten und heruntergeladenen Ergebnisse ähnliche Zeitschriften vorgeschlagen. Dazu dann noch die von anderen Lesern häufig favorisierten Ausgaben. Und dies ist wie in einem guten Buchladen. Einmal darin eingetaucht, kommt man nie wieder heraus.
Unzählige Male ertappte ich mich dabei, dass ich „vom Hölzchen aufs Stöckchen“ kam. Zu einem interessanten Thema gibt es unglaublich viele weitere Zeitschriften. Jede davon hat ihren Reiz. Jede scheint es wert, sie runterzuladen und hineinzustöbern. Und ist einmal die Neugier geweckt, landen dann mehr und mehr Ausgaben auf „meiner Seite“ in den „Downloads“. Und dann braucht es ganz viel Zeit, diese alle zu lesen.
Ich kann mich noch an die Anfangszeit erinnern. Ruck-zuck waren locker 30 Magazine heruntergeladen. Und die wollten alle gelesen werden. Davon waren viele unglaublich interessant und landeten in den „Favoriten“. Und plötzlich passte das Verhältnis „vorhandene Zeit zum zu bewältigenden Lesestoff“ nicht mehr. Als Konsequenz wurde das Lesen der vielen Artikel oberflächlicher und manch wirklich lesenswerter Abschnitt wurde aus Zeitmangel übergangen.
Hier kann ich aus meiner Erfahrung nur den Tipp geben, sich zu reglementieren. Also sich ein Limit in der Anzahl der Favoriten zu setzen. Ein neu hinzugewonnener Favorit kann nur in die Liste, wenn ein anderer dafür geht. So hart es klingt, dies scheint mir der einzige Weg, die Möglichkeiten auf ein bewältigbares Maß einzuschränken. Es sei denn, ihr habt unbegrenzte Lesezeit… ?
Ihr lest, Readly hat ein wahres Luxusproblem.
Herunterladen und Lesen
Voraussetzung hierfür ist – kaum verwunderlich – eine möglichst schnelle Internetverbindung. Es geht auch mobil, aber das dauert dann je nach Verbindung etwas länger.
Die Zeitschrift der Wahl ist mit einem Antippen ausgewählt und somit auf dem Weg zum Speicher auf dem Laptop/Computer. Manchmal kann man auch aus den bereits erschienenen Ausgaben auf einer neu geöffneten Seite die gewünschte Ausgabe durch einen weiteren Klick herunterladen und anschauen.
Aber Achtung: Der Download wird erst komplett durchgeführt, wenn die Zeitschrift auch tatsächlich geöffnet ist. Dies ist wichtig, wenn man offline lesen möchte. Deshalb bitte immer bei Netzwerkverbindung die Zeitschrift öffnen, vollständig herunterladen und dann offline gehen.
Funktionen
Als besonders hilfreich fand ich die Funktion, liebgewonnene Zeitschriften als „Favoriten“ zu markieren. Diese sind dann auf der „Meine Inhalte“-Seite aufgeführt und lassen sich leicht editieren. Dass einem eine so markierte Ausgabe „durchrutscht“ ist quasi nicht möglich. Man kann nämlich anhand einer Markierung am rechten unteren Rand der betreffenden Zeitschrift erkennen, ob man diese bereits geladen oder gelesen hat. Zudem bekommt am Tag der Erscheinung eine freundliche Hinweismail.
Für den schnellen Sprung auf gewünschte Inhalte empfiehlt sich die Miniaturansicht der Seiten. Durch kurzes Tippen auf die Bildschirmmitte beim Lesen erscheint am unteren Rand das komplette Magazin als Miniaturseiten. Man kann dort durchscrollen und direkt die gewollte Seite anwählen.
Auch der Druck einzelner Seiten ist möglich. Ist ein Netzwerkdrucker eingerichtet, kann darauf direkt über das Netzwerk gedruckt werden. Leider nur jede Seite einzeln und nicht ganze Artikel über mehrere Seiten. Einfach die zu druckende Seite anzeigen, auf dem Screen mittig tippen. Anschließend oben rechts erst „Teilen“ und dann „Drucken“ auswählen. Alternativ lassen sich Seiten auch als PDF drucken und abspeichern.
Die Lesezeichenfunktion ist hier ebenfalls noch erwähnenswert. Man kann sich Artikel hiermit markieren, die dann vom Hauptmenü aus direkt angewählt werden können. Sehr praktisch, wenn man diese später noch einmal aufrufen möchte.
Kostenbetrachtung
Nicht für jedermann ist Readly aus monetärer Sicht sinnvoll. Wer nur gelegentliche Fernsehprogrammzeitschriften lädt oder sich gedruckte Magazine mit mehreren Personen teilt, liegt aus reinen Kostenüberlegungen möglicherweise mit Readly über den bisherigen Werten.
Bei mir war die Rechnung eindeutig. Die Jahreskosten für Abonnements lagen bei ca. 300 €. Readly kostet rund 120 € per annum.
Von den primär angedachten Ressourceneinsparungen ganz zu schweigen.
Zusammenfassung
Vorteile
- Ressourcenschonung (kein Papierverbrauch)
- Kosten (10 € per Monat)
- Familienfreundlich (5 Leserkonten einrichtbar)
- Auswahl (schier unerschöpflich)
- Praktisch keine Begrenzung der Downloads
- Handling (Zoomen, Blättern, Auswahl ist sehr einfach)
- Kein Gang zum Kiosk/Briefkasten
- Ausdruck möglich
Nachteile
- Onlineverbindung für Download nötig
- Stromverbrauch Tablet/PC
- Suchtfaktor
- Kleinere Lücken bei der Auswahl
- Nur bedingt strandgeeignet
Fazit
Readly ist für mich ein echter Volltreffer. Tausende Zeitschriften unter einem Dach und das Ganze ohne Ressourcenverbrauch.
Natürlich ist dort nicht jede Zeitschrift vorhanden. Dafür gibt es einfach zu viele ausgefallene Nischenprodukte auf dem Markt. Mancher Verlag mag sich dieses Mediums auch sperren. Logisch, sind dort die Gewinnmargen wie auch bei Online-Musik sicher geringer als bei der Printausgabe.
Bis auf ein Magazin fand ich wirklich alles dort. Und noch viel mehr. Das macht auch ein wenig süchtig, denn aus den ursprünglich in Papierform abonnierten 6 Zeitschritten sind bei Readly 30 geworden. Und die wollen alle gelesen werden. An manchen Tagen türmte sich der Berg der digitalen, ungelesenen Ausgaben schon ziemlich auf. Dieses Luxusproblem ist aus meiner Sicht hausgemacht und soll die Leistung der Plattform nicht schmälern.
Wer durch Lesen seinen Horizont unbeschränkt erweitern möchte und für vieles offen ist, findet hier alles. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Jedes Thema findet seine Zeitschrift. Und das in allen Facetten.
Bei mir zu Hause ist der Briefträger mittlerweile mein bester Freund. Und das seit dem Moment, an dem die Plackerei für ihn deutlich nachgelassen hat. Denn inzwischen sind alle Print-Abos ausgelaufen und für ihn entfällt ein großer Teil der Arbeit.
Und in meinem Leben öffnen sich täglich neue Horizonte. Wie auch für die zahllosen Bäume, die für mich nicht mehr gefällt werden müssen.
Daumen hoch für digitale Zeitschriften.